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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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nach zwei Wochen mit dem Winzling wiedergekommen. Muss sie jetzt etwa auch wieder nach Breslau? Würde man sie da denn überhaupt hinlassen? Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie das alles gehen soll.
     
    Die Russen sind jetzt weg, jedenfalls hier aus der Umgebung. Sicherer ist es deswegen aber immer noch nicht. Auch unter den Polen, vor allem unter denen, die nicht hier aus dem Dorf sind, gibt es eine Menge, die deutsche Frauen »als Freiwild ansehen«, wie Mama gesagt hat. Sorgfältig verschließen wir also die Kellertür, wenn es dunkel wird.
    Mitten in der Nacht fahre ich hoch.
    »Otwierać!« 6 , brüllt es.
    Wir rühren uns nicht, Totenstille herrscht in dem Raum.
    Es ist offenbar nur ein einzelner Mann, der da herumschreit.
    »Pozabijam was!« 7
    Er rüttelt am Gitter, und ich habe Angst, er könnte es jeden Augenblick herausbrechen.
    In diesem Moment höre ich von der anderen Ecke unseres Kellerraums her ein lang gezogenes Jaulen, wie Wolfsgeheul. Es ist die alte Staffa! Sie heult grausig. Nach und nach jaulen wir alle mit. Es ist ein schauriges Konzert, das da aus dem Gitter nach draußen dringt, und wie von der Tarantel gestochen fährt der oben vom Fenster zurück und sucht das Weite.
    An der Stimme habe ich erkannt, wer es war, und in den nächsten Tagen sehe ich ihn einen Bogen um uns machen. Wahrscheinlich glaubt er, bei uns gehe es nicht mit rechten Dingen zu!
     
    Endlich dürfen wir wieder draußen herumlaufen! Mama ist wieder etwas zuversichtlicher und glaubt nicht mehr, dass wir auseinander gerissen werden sollen. Der Winter ist inzwischen einem schönen, frisch-warmen Frühling gewichen, und das nutzen wir aus und spielen alle zusammen draußen, wann immer das Wetter es zulässt.
    Ich genieße es, wenn Mama abends zurückkommt und wir gemeinsam durch den Park gehen. Ich entdecke dabei die ersten Schneeglöckchen und freue mich darüber mehr, als ich mich je über ein Weihnachtsgeschenk gefreut habe! Überhaupt: Wie herrlich das alles ist! Das zarte Grün an den Zweigen! Oder die blauen Blüten der Szilla, die Goldsterne, die Märzenbecher! Was für ein Gegensatz zu dem tristen Dasein, zu dem wir hier verdonnert sind! Die Natur weiß nichts von dem, was Menschen alles anrichten können. Sie kümmert sich nicht um das, was wir tun, und entfaltet jedes Jahr von neuem ihren Zauber. Die Sonne geht unter, wir sitzen im Abendlicht am See, lassen die Beine baumeln und genießen den Augenblick. Das andere vergessen wir einfach. Und wenn es nur für ein Weilchen ist.
     
    Der See bringt Mama allerdings noch auf ganz andere Gedanken.
    »Meine Güte, seid ihr dreckig!«, ruft sie aus. »Rein mit euch ins Wasser!«
    Das klingt fröhlicher, als es ist, denn jetzt im Frühling ist das Wasser saukalt! Meine Beine laufen ganz blau an, und ich bibbere, obwohl ich bloß bis zu den Waden im See stehe.
    »Nein!«, quietsche ich laut, als Mama mich von oben bis unten mit Wasser begießt. Aber sie kennt kein Erbarmen: Mit Sand reibt sie uns drei ab, bis unsere Haut ganz rot ist. Dann setzen wir uns zum Trocknen in die Sonne. Handtücher gibt es keine mehr.
    Sich selbst wäscht Mama auch. Ihr Bauch ist dicker geworden: Dort wächst also das Geschwisterchen!
     
    Ich liebe es, wenn die Frauen abends singen. Das tun sie jetzt immer, wenn sie mit allem fertig sind und wir Kinder schon zum Schlafen auf unserem Stroh liegen. Ich kuschele mich zusammen und höre zu. Mir ist egal, was sie singen, auch Kirchenlieder mag ich. Sie legen mit ihren getragenen Melodien einen Mantel aus Schwermut über mich, und irgendwie geben sie mir Trost, ich weiß nicht, warum. »So nimm denn meine Hände«, zum Beispiel, was sich dann auf »bis an mein Lebensende« reimt: Da zieht sich mir manchmal das Zwerchfell zusammen, als ob ich weinen müsste. Aber da ist kein Schmerz, da ist eher Sehnsucht. Sehnsucht nach der Ruhe und der Zuversicht, die in den Liedern liegen.
    Heute Abend singen sie fröhliche Lieder. Mama sagt, gerade weil die Welt hier so wenig Freude bringt, brauchen sie das. Und tatsächlich ist ihr Gesicht ganz gelöst, beinahe heiter.
    Noch schöner finde ich es, wenn Mama uns etwas erzählt. Keine Märchen und überhaupt nichts Erfundenes, sondern Geschichten von früher, als sie selber klein war, oder von Mauer, wo wir früher gewohnt haben, oder auch von uns Kindern in Waly, bevor der Krieg kam. Ich kann gar nicht begreifen, dass es dasselbe Waly ist, in dem wir jetzt leben.
    Es ist schön, wenn Mama Geschichten erzählt, in

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