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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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geht es wieder heim und Anna folgt willig am Strick.
    »Wspaniale!« 9 , werde ich empfangen. Ich muss endlich lernen, was das alles heißt!
    Aber eines weiß ich sicher: Hier gefällt es mir! Seit wir aufgebrochen sind, ist das hier die erste Umgebung, in der ich mich richtig wohl fühle!
    Abends geht es zurück in unseren Keller. Władka steckt mir zum Abschied noch ein Fläschchen Milch zu. Mit Gesten zeigt sie mir, dass ich es unter der Jacke verstecken soll. Als ob ich das nicht wüsste! Ich bin sehr glücklich, dass ich für die anderen etwas mitbringen kann! Huppe scheint es bei seiner Arbeitsstelle nicht so gut zu haben.
    Jeden Abend bringe ich jetzt etwas mit nach Hause, mal ein paar Scheiben Brot, mal ein paar Kartoffeln, dann wieder eine Kohlrübe oder auch eine Tüte Weizen. Jedes Mal verstecke ich es unter meiner Kleidung und sorge dafür, dass man nichts sehen kann. Mama freut sich riesig.
     
    Schön, dass Władka und Michał so viel Vertrauen zu mir haben! Ab heute habe ich neben dem Hüten von Anna noch eine zweite Aufgabe: Ich nehme ihren Säugling mit. Er ist ein Junge und heißt Janusz. Allerdings haben sie keinen Kinderwagen, deshalb wird er mir mit einem Tuch auf den Rücken gebunden. Mit ihm hintendrauf und Anna am Strick ziehe ich los zu meinen Straßenrändern.
    Aber das ist gar nicht so einfach, denn Janusz ist ganz schön schwer! Irgendwie habe ich verstanden, dass ich ihn auf dem Rücken behalten soll, aber ihn die ganze Zeit bis Mittag zu tragen, das schaffe ich nicht. Ich muss ihn einfach mal absetzen. Seitlich lege ich mich ins Gras, bis der Säugling auf dem Boden liegt, und knote dann das Tuch vorsichtig auf: Es funktioniert!
    »Siehst du, Janusz, so geht’s!«
    Das größere Problem aber kommt, als wir nach Hause wollen: Wie kriege ich ihn wieder auf den Rücken? Ich probiere es so, ich probiere es anders: Nichts geht! Entweder gelingt es mir nicht, die Enden des Tuches zu verknoten oder Janusz rutscht mir wieder raus. Vor allem habe ich Angst, ihn bei meinen Versuchen zu erdrücken. Schließlich fängt er auch noch an zu brüllen. Es ist zum Verzweifeln!
    Endlich habe ich eine Idee: Ich setze mich mit den Füßen in den Straßengraben – und Janusz samt Tuch kommt auf halber Höhe hinter mir auf die Schräge. So kann ich die Enden des Tuchs verknoten und Janusz sitzt wieder richtig hinten drauf!
    »Uff! Geschafft!« Ich wische mir den Schweiß von der Stirn.
     
    Ich bin jetzt eine wirkliche Hilfe für Władka und Micha, denn inzwischen versorge ich Janusz ganz allein. Ich gebe ihm das Fläschchen, wechsele seine Windeln und tröste ihn, wenn er weint. Und das alles draußen an Annas Straßenrändern. Bloß eines geht mir auf die Nerven: wenn er nicht aufhört zu schreien. Manchmal fahre ich ihn dann an. »Sei endlich still, du blöder Zwerg!« Aber hinterher habe ich dann immer ein schlechtes Gewissen, weil ich selber doch von Władka und Michał so nett behandelt werde.
    Es gibt noch eine andere Sache, bei der ich eigentlich ein schlechtes Gewissen haben sollte. Ich muss aber zugeben, dass mich das nicht allzu sehr stört. Offenbar bin ich inzwischen ganz schön abgebrüht!
    Was ich tue? Ich trinke aus Januszs Fläschchen!
    Warum denn nicht? Janusz ist ziemlich dick und schwer, das merke ich jedes Mal, wenn ich ihn trage. Und ich selber bin alles andere als dick, auch jetzt nicht, wo ich es in der Schreinerei wirklich gut habe. Und deswegen beteilige ich mich unauffällig an seiner Milch, auch wenn ich natürlich weiß, dass Władka die Sache in einem etwas anderen Licht betrachten würde als ich. Deswegen gucke ich mich vorher auch immer sehr sorgfältig um, ob niemand in Sichtweite ist, und erst dann stecke ich mir den Schnuller in den Mund. Aber mehr als ein Viertel nehme ich nicht für mich, das wäre gemein!
    Wenn es regnet, bleiben wir im Haus. Anna wird dann an einen Baum gebunden und kann dort das Gras abrupfen und ich beschäftige mich mit Janusz. Mittags, wenn er schläft, gehe ich in die Werkstatt, lege mich in die Hobelspäne und genieße ihren herrlichen Duft. Und träume. Es ist schön, da zu träumen!
    Mit meinem Polnisch geht es bergauf: Ein paar Brocken kann ich schon.
     
    Es ist Mitte Mai, die Sonne geht früh auf, und es ist schon hell, als ich aufwache.
    Und sofort sehe ich, dass Mama verschwunden ist!
    »Wo ist Mama?«, schreie ich.
    Huppe und Wolfi fahren hoch, auch sie ganz entgeistert.
    Die anderen Frauen sind noch nicht zur Arbeit, es ist also noch sehr

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