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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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gefrorenen Erde zu begraben hatten, wie unendlich schwer die Arbeit und wie grausam die Kälte gewesen ist. Aber ich glaube, dass sie uns nicht alles sagt. Ich kann mich nicht daran gewöhnen. Jeden Morgen schrecke ich zusammen, wenn die Tür auffliegt und der Mann von der polnischen Miliz sein »Raus, raus!« schreit.
    Nur dass es heute Wacek ist, der dort steht!
    Einen Unterschied kann ich allerdings nicht feststellen: Er ist genauso grob und brüllt mit dem gleichen Kommandoton sein »Schneller schneller – los los!«.
    Aber anscheinend gibt es doch einen Unterschied, denn am Abend erfahren wir von Mama, dass er sie im Windschatten eines Hauses hat arbeiten lassen, wo es nicht ganz so kalt war, dass er ihr die Schneeschaufel zugewiesen hat statt des Eispickels und dass er ihr Pausen gegönnt hat.
    Geredet hat er mit ihr nur, wenn keiner hingeschaut hat. Aber gezeigt hat er ihr noch etwas: An einer Mauer waren Einschusslöcher, die schon älter aussahen und nicht aus den letzten Wochen stammten. »Auch das war eine Form der ›Umsiedlung‹«, hat er zu Mama gesagt und sie hat gar nichts antworten können.
    Am nächsten Tag dann hat er sie in die Gärtnerei geschickt, wo es leichtere Arbeit gibt, wo es leidlich warm ist und wo der Gärtner, der Mama genau wie Wacek von früher her kennt, die Tür hinter ihr zuschließt, damit sie sich sicher fühlt.
     
    Langweilig ist es hier drin! Raus sollen wir nicht, das haben uns unsere Mütter eingeschärft.
    »Seid so ruhig wie möglich! – Es ist besser, es fällt gar nicht auf, dass Kinder hier sind!«, haben sie gesagt. Ich glaube, sie haben Angst, dass wir ihnen weggenommen und irgendwohin gebracht werden, ohne dass sie wissen, wo wir sind.
    Zum Pinkeln haben sie uns eine Blechdose gegeben, damit wir nicht hinausmüssen, denn ein Innenklo hat das Haus nicht. Jetzt sitzen wir wieder in der Kälte, dösen vor uns hin und warten.
    Ich habe Durst und den anderen geht es genauso. Wasser gibt es im Haus nicht und unsere Flaschen sind längst leer.
    »Schnee essen!«, sagt eines von den anderen Kindern.
    »Aber wir dürfen nicht raus!«
    Also versuchen wir, durch die Fenster an Schnee zu kommen. Viel ist es nicht, was wir auf diese Weise kriegen, aber fürs Erste reicht es.
    Schnee essen geht nur sehr langsam. Es tut weh an den Zähnen und der Gaumen wird ganz kalt.
    »Besser, wir tun ihn in einen Topf und lassen ihn schmelzen«, meint Huppe.
    In dem kalten Raum dauert es lange, bis der Schnee schmilzt. Aber wir haben ja Zeit!
    Schlimmer ist der Hunger. Zu essen haben wir nichts mehr. Die Miliz, die uns hier festhält, hat uns entweder vergessen, oder es ist ihr egal, wie wir an Essen kommen.
    Huppe hält es kaum mehr aus. »Mensch, hab ich einen Hunger!«
    »Ob es hier einen Keller gibt?«, frage ich. »Kann doch sein! Und vielleicht finden wir da etwas, egal was.«
    »Und wenn’s rohe Kartoffeln sind!«, fügt einer von den anderen hinzu.
    Wir machen uns auf die Suche, Huppe, ich und der andere Junge. Vorsichtig schlüpfen wir aus der Tür und huschen hinüber zum verfallenen Teil der Kate. Aber wir geben bald wieder auf: Der Küchenraum liegt voller Trümmer, die wir nicht wegschaffen können, und vom Flur geht keine Tür ab, die zu irgendeinem Vorratsraum führen könnte. Und auf den Hof zu gehen, um nachzusehen, ob es da vielleicht eine Kellerluke gibt, trauen wir uns nicht.
    »War ja klar«, meint Huppe. »Wenn es hier etwas gegeben hätte, hätte es sich längst jemand geholt.«
    Also setzen wir uns wieder hin und lassen unsere Mägen um die Wette knurren.
    »Ich muss mal!«, sagt Wolfi nach einer Weile.
    Huppe reicht ihm die Pinkeldose rüber.
    »Nein, groß!«
    »Geht jetzt nicht, verkneif’s dir!«
    Wolfi verkneift tapfer, aber nicht lange. »Ich schaff‘s nicht mehr!«
    In die Hose wollen wir ihn natürlich auch nicht machen lassen. Ich luge vorsichtig aus der Tür: Die Luft ist rein!
    »Schnell!«, sage ich. »Aber nur um die Ecke, zwischen Haus und Schuppen!«
    Wolfi rennt hinaus und verschwindet hinter dem Haus.
    Als er wiederkommt, strahlt er übers ganze Gesicht. Aber nicht bloß, weil er sich erleichtert fühlt, sondern auch aus einem anderen Grund! Er streckt uns seine Hände entgegen und wir können es gar nicht glauben!
    »Mensch! – Brot!«, entfährt es uns.
    Ungläubig starren wir alle den halben Laib an.
    »Von einer Frau aus dem Dorf!«
    Wir sind viel zu überrascht, um das richtig zu verstehen.
    »Ganz heimlich hat die das gemacht und ist ganz

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