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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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früh. Als sie sehen, dass wir wach sind, beruhigen sie uns: »Alles in Ordnung. Sie ist nur kurz fort.«
    Aber als Huppe und ich uns fertig machen wollen, um an unsere Arbeitsstellen zu gehen, kommt die alte Staffa und meint: »Bleibt erst mal hier.«
    Ich kann mir keinen Vers darauf machen und gucke wohl ratlos.
    »Werdet schon sehen …«, brummelt sie.
    Schließlich ruft uns jemand vom Stallgebäude her: »Lena, Dietrich, Wolfgang! Kommt! – Schnell!«
    So rasch wir können, rennen wir hinüber, treten in den Stall und bleiben auf einmal ganz still und fast andächtig stehen: Mama liegt im Stroh auf den Brettern des Stallbodens und hält einen Säugling in ihren Armen, einen ganz winzigen!
    »Mama...« – Mehr kann ich gar nicht sagen.
    Aber dann kriege ich einen Riesenschreck, denn um Mama herum ist das Stroh blutverschmiert und sie selbst sieht ganz bleich aus. Ist das immer so bei einer Geburt? Oder ist Mama irgendetwas Schreckliches zugestoßen? – Ich war ja noch nie dabei, wenn ein Kind auf die Welt gekommen ist!
    Zum Glück habe ich gar keine Zeit, lange nachzudenken. Da ist noch die andere Frau im Stall, die Mama beigestanden und uns gerufen hat, und sie sagt zu mir: »Rasch, tu das blutige Stroh hier raus und bring neues. Und dann hol Wasser vom See, damit wir das Kleine und deine Mutter waschen können.«
    Froh, etwas tun zu können, befördere ich mit einer Forke das verschmierte Stroh hinaus, wische die Pritsche so gut es geht sauber und schütte neues Stroh darauf. Und dann renne ich mit unserem verbeulten Topf – dem einzigen, den es hier gibt – zum See hinüber und hole Wasser.
    Als ich zurückkomme, sind Huppe und Wolfi schon wieder gegangen. Und dann kriege ich eine Gänsehaut: Das Wasser aus dem See ist ganz kalt, aber die Frau badet darin erst das heftig protestierende Kind und anschließend wäscht sie Mama damit.
    Dann bin ich mit Mama allein.
    »Komm her«, sagt sie, »leg dich zu mir.«
    In ihrem einen Arm liegt der Säugling, in dem anderen liege ich und sie drückt mich ganz fest an sich.
    »Es ist ein Mädchen«, sagt sie, »wie du.«
    Ich bin froh, dass es Mama gut zu gehen scheint! Als sie ihren Kopf zu mir dreht, hat sie Tränen in den Augen, aber trotzdem sieht sie glücklich aus. Ganz vorsichtig berühre ich mit meinen Fingerspitzen das Gesicht der Kleinen: die Stirn, den Mund, das Näschen. Ich kann nur staunen!
    Bei meinen Schreinersleuten erzähle ich natürlich als Allererstes die Neuigkeit und Władka freut sich riesig mit mir. Abends gibt sie mir nicht nur viel mehr Lebensmittel mit als sonst, sondern auch noch ein paar Hemdchen und ein Jäckchen, aus denen Janusz schon herausgewachsen ist. Es ist so viel, dass ich das alles gar nicht richtig verstecken kann, aber Gott sei Dank läuft gerade keiner von der Miliz hier herum.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich Władka danken soll«, sagt Mama.
    Die alte Staffa kommt herüber.
    »Mein Gott, was für ein Wunder!«, sagt sie, als sie das Neugeborene betrachtet. »Jedes Mal ist es wieder ein Wunder – wo immer es auch geschehen mag.«
    Und ich kann mir vorstellen, was sie dabei denkt: Wie schwer es für die Kleine werden wird, hier in dieser Ärmlichkeit, in diesem Dreck. Wie schwer es sein wird, sie zu ernähren und wenigstens vor dem gröbsten Hunger zu bewahren. Und wie ungeeignet diese Welt für so etwas Zartes wie einen Säugling ist …
    Aber wer irgend helfen kann, der hilft. Die Frauen hier haben selber fast nichts, und trotzdem gibt die eine einen Fetzen Stoff zum Wickeln, eine andere sogar eine kleine Decke, die sie jetzt, in der wärmeren Jahreszeit, nicht braucht.
    Worüber ich besonders staune, ist, dass auch aus dem Dorf Frauen kommen und etwas mitbringen. Sie sind Polen und dürfen uns eigentlich gar nicht helfen. Und außerdem sind sie selber arm! Aber sie wollen helfen und schaffen von irgendwo sogar einen Kinderwagen her.
     
    Aufrecht sitze ich auf meinem Lager.
    »Aufmachen!«, brüllt es durch die Gitterstäbe des Kellerfensters über uns. »Los! – Aufmachen!«
    Vor Schreck sind wir starr. Die Männer rütteln an den Gittern, versuchen sie herauszureißen. Plötzlich sind sie ruhig. Sie lauschen.
    »Wir wissen, dass ihr da drin seid!«
    Die Kleine fängt an zu weinen, sie ist jetzt gerade eine Woche alt.
    »Aha!«, ruft jemand da draußen. Als ob sie diesen Beweis, dass wir wirklich hier drin sind, noch gebraucht hätten!
    Sie kommen die Treppe herunter und hauen gegen die Tür.
    »Aufmachen oder wir

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