Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
habe noch nie Stroh mit einer Heugabel vom Boden geworfen und fasse sie ungeschickt an.
»Bist du blöd?«
Ich greife um.
Da schlägt er zu, ganz unvermittelt. Ich habe nicht einmal Zeit, die Hände hochzureißen. Dann brüllt er, und sein Kopf wird dabei noch röter, als er ohnehin schon ist: »Das sage ich dir: Hier wird gearbeitet!«
Die Wut ist stärker als der Schmerz. Ich beiße die Zähne zusammen und befördere das Stroh eine Etage tiefer in den Mittelgang des Stalls.
Der Bauer macht sich wieder auf den Weg nach unten.
»Erst den Mist raus, dann einstreuen.«
Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, aber immerhin sehe ich die Mistgabel in einer Ecke und will anfangen.
Und wieder brüllt es: »Drapak do goju, o Boze! – So was Dämliches hab ich ja noch nie gesehen!«
Ich habe keine Ahnung, was er will, verstehe sein Polnisch auch nur halb und schaue verschreckt zu ihm hin. Und wieder schlägt er zu.
»Nie widzisz, gdzie stoi ten drapak?«
Er zeigt dabei in eine bestimmte Richtung, und ich entdecke den Mistkratzer, der dort im Halbdunkel steht. Drapak – diese Vokabel werde ich nie mehr vergessen!
Ich hole ihn, es ist ein Stiel mit einem quer stehenden Schaber daran. Klar, dass man damit den Mist unter den Kühen hervor in die Güllerinne ziehen und dann leichter weiterbefördern kann. Ich fange an.
»Langsamer geht’s wohl nicht, was?«
Ich bin ganz still, arbeite verbissen vor mich hin. Bloß ihn nicht angucken, nicht reizen! Als ich alles unter den Kühen hervorgezogen habe, versuche ich, den ganzen Dreck auf einmal in Richtung Stalltür zu schieben. Aber das ist zu viel und zu schwer.
»Die Karre!«, schreit er. »Hast du noch nie’ne Karre gesehen? – Da drauf! Und dann raus!« Er öffnet die Stalltür und weist auf den Misthaufen.
Ich gabele den Dung auf die Karre und versuche, sie nach draußen zu schieben. Es gelingt mir kaum, sie anzuheben, geschweige denn sie vorwärts zu schieben. Er steht da und zieht den Rotz hoch. »Pflup!«, macht es, als er ihn auf den Misthaufen spuckt.
Ich nehme alle meine Kraft zusammen und versuche es noch einmal. Na endlich! An ihm vorbei aus der Tür und über die ausgelegten Bretter auf den Misthaufen, der von einer niedrigen Mauer umgeben ist. Aber schwer, wie die Karre ist, schaffe ich es nicht bis ganz oben. Auf halbem Wege kippt mir die Fuhre um.
Und ich fange die dritte Ohrfeige.
»Kannst du nicht aufpassen?«
Ich ducke meinen Kopf zwischen die Schultern. Tränen wird der nicht sehen, der nicht!
Ich presse die Lippen zusammen und fahre die Karre zurück, der Dung quatscht unter meinen Füßen und quillt mir durch die bloßen Zehen. Mit dem Ärmel wische ich über die Augen und ziehe schniefend die Nase hoch.
Er grunzt und geht. Ich bin allein.
Jetzt, wo er nicht mehr zuguckt, lade ich die Karre nur noch halb voll und schaffe es damit gut bis ganz nach oben.
Dann säubere ich noch die beiden Stallgassen und verteile das heruntergeworfene Stroh. Ab und zu muss ich eine Pause machen und mich auf die Gabel stützen. Ich habe noch nie so schwer gearbeitet! Und noch nie in meinem Leben habe ich mit einem so widerlichen Kerl zu tun gehabt!
Als ich fertig bin, verschnaufe ich kurz und sammle auch ein bisschen Mut. Einfach hier im Stall zu bleiben könnte nach Faulheit aussehen, also muss ich in die Höhle des Löwen, muss hinüber ins Haus. Ich atme noch mal tief durch, dann gehe ich los.
Kaum bin ich in der Küche angekommen, schreit es schon wieder.
»Was willst du hier?« Diesmal ist es die Bäuerin. Ihre Stimme ist schrill und keifig.
Ehe ich etwas erklären kann, geht es weiter: »Raus! – Ab in den Stall! Und lass dich hier nicht wieder blicken!«
Ich fliehe, völlig verschüchtert, so rasch ich kann. Bin ganz verdattert: Wo bin ich hier? Sind das Menschen? Es ist wie ein Albtraum. – Ich kenne es nicht anders, als dass man miteinander redet, dass man fragt und Antworten bekommt. Wo ich auch war, habe ich im Grunde immer Freundlichkeit erlebt. Bei Władka und Michał sowieso, aber auch die Leute in der Kate sind so übel nicht gewesen. Hier aber? Wie soll ich etwas richtig machen, wenn ich gar nicht weiß, was man von mir will? Wenn man auf Anhieb und ohne Anleitung Dinge von mir erwartet, die ich noch nie in meinem Leben gemacht habe?
Mir ist zum Heulen, und als ich wieder im Stall bin, heule ich auch wirklich. Jetzt, allein, kann ich meinen Tränen freien Lauf lassen. Ich könnte es auch nicht verhindern, die Tränen rinnen mir
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