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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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Gesichtsfeld engte sich ein, so daß es zunächst das Publikum ausschloß, dann die Umrisse der Leinwand, bis es ganz schmal geworden war, wobei seine Anziehungskraft zunahm, so daß er geradezu davon angesogen und in eine andere Welt gerissen wurde. Von da an veränderte sich jeglicher Zeitbegriff. Lieblingsszenen verlängerten sich und gewannen eigenes Leben, andere liefen schneller ab, aber keine wurde ausgelassen. In Gedanken schnitt er den Film so, daß er vor allem jene Szenen genießen konnte, die ihn inspirierten.
    Die Braga duftete. Er roch diesen Duft vom ersten Augenblick an, als sie auf der Leinwand erschien, und der Körpergeruch ihrer Anwesenheit durchströmte ihn mit der köstlichsten Aufregung, die er je gefühlt hatte. Während der ersten Vorstellung wuchs seine Aufregung bis zu einem beinahe unerträglichen Punkt. Er blieb zwischen der ersten und der zweiten Vorstellung sitzen, frustriert und schwitzend, und genoß den noch immer vorhandenen Geruch ihrer Gegenwart, der in dem stillen, leeren Kino hing.
    Sobald Chico Buarque die ersten Zeilen des Filmthemas zu singen begann und die gelben Buchstaben des Vorspanns von unten über die Leinwand rollten, fielen ihn die teuflischen Vorboten des Auftritts der Braga durch den enger werdenden Tunnel an und sogen ihn in die Abbilder ihrer zuckenden Lider, während das raffinierte Tremolo der Klaviertöne hinter Buarques gepflegter Stimme zu hören war.
     
    Ah, se já perdemos a noção da hora
    Se juntos já jogamos tudo for a
    Me conta agora como hei de partir
     
    Er war bei ihr, nachts in ihrer Penthauswohnung, und schaute hinaus auf die Sternenketten, welche die weit geschwungene Kurve des Strandes von Ipanema nachzeichneten. Die Lichter von Rio glitzerten von unten, als beschworen sie das Ende ihres Lebens in der Dunkelheit. Die Sekunden sammelten sich über ihnen wie eine Wolke, während sie nackt in dem dunklen Fenster standen vor dem Schimmer, der Rio war. Die Wolken des Augenblicks verblichen wie aufsteigender Nebel, waren nur noch an ihrem fauligen Geruch zu erkennen, der ihn unbeschreiblich faszinierte. Im Dämmerlicht zwischen ihnen schillerte die Wolke, jeder Funke weißglühend, jeder allmählich schwerer werdend mit seinem todbringenden Auftrag.
     
    Se, ao te conhecer, dei pra sonhar, fiz tantos desvarios
    Rompi com o mundo, queimei meus navios
    Me diz para onde è que ainda posso ir
     
    Die Wolke senkte sich wie der Duft der Limonen, der sie überlagerte, als sie Samba tanzten, zwei Marionetten, deren Fäden an den Armen und Beinen des anderen befestigt waren. Sie wurden weiß von den Augenblicken, die sich in sie brannten, die Gase stiegen auf von ihren glühenden Häuptern, als sie im Schein ihres phosphoreszierenden Sterbens tanzten. Draußen lösten sich die Sterne von Ipanema von der Küstenlinie und stiegen zum schwarzen Himmel vor dem Penthaus auf, blieben dort hängen und warfen ihr schimmerndes Licht durch die Glasscheiben. Dann stand er still, und sie umkreiste ihn, ihre Brüste schwangen wie ihr Haar zu der cuica, als der Chor den Refrain der Samba aufnahm, und er sah die toten Cariocas herabsteigen und durch die Sterne tanzen wie durch Felder brennender Blüten.
    Plötzlich blieb die Tanzende stehen. Ihr Gesicht war ein Totenkopf, ihr Phosphoreszieren verblich zu einem gelblichen, später braunen Schimmer, dann wurde er hennafarben, und die Wolke der Sekunden wurde zu Asche. Die Stimmen der toten Cariocas zitterten im Sambachor, der Gestank von Kot flutete durch das Penthaus, und die Frau umarmte ihn und wurde zu Asche, während sie ihn festhielt. Der Gestank aus ihren Lungen erfüllte seinen Atem. Oh, was für ein Genuß! Die Ekstase ihres Lieds und das Singen der toten Cariocas wurden zu Asche; sie wehten davon, obwohl sie immer noch sangen, trotz der absoluten Stille inmitten des hennafarbenen Sternenfelds. Er fühlte jene letzte Übelkeit, die der Tod war, und wußte, es war die Quintessenz dieser Frau, die ihn an ihre feurigen Brüste drückte, in der hennafarbenen Nacht.
    Er wünschte sich, daß dies das Ende wäre.
    Aber es war nicht das Ende. Obwohl er die Augen offen hatte, schwand die Vision, und er sah wieder den Film; die Samba war vorüber, und die letzten Takte von Eu Te Amo verwehten mit den hellen, klimpernden Tönen des Klaviers. Erschöpft und gebannt schaute er sich den Film zu Ende an.
    Es war sechs Uhr, als er aus dem Kino kam und zu seinem Wagen zurückging. Das Feuer der Sonne hatte die Straßen und

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