Kalter Amok
wobei er sich fast ausschließlich im medizinischen Institut und im Hermann-Hospital aufhielt. Aber abends, wenn er ziellos umherstreifte, blieben ihm Hirsch und Mooney auf den Fersen. Zweimal besuchte Guimaraes Callgirls in teuren Hotels. Beide Mädchen wurden danach kurz festgehalten und ausführlich »informiert«. Man erzählte ihnen irgendwelche abenteuerlichen Geschichten und verpaßte ihnen vorbeugend Tollwutimpfungen.
Vor allem wurde befürchtet, Rafael würde sich gelegentlich wieder mit einem von den Carioca-Mädchen treffen. Haydon glaubte, daß gerade sie in größter Gefahr schwebten. Man beantragte die Genehmigung zum Anzapfen seines Telefons und bekam sie auch. Aber tagelang kam nichts dabei heraus. Rafael telefonierte fast immer von Telefonzellen im Klinikum aus. Dann, am 5. August, rief er von seiner Wohnung aus an und verabredete sich für den nächsten Abend, einem Freitag, mit einer der Cariocas. Der Anruf wurde abgehört und die Wohnung des Mädchens lokalisiert. Sie wohnte in einer Wohnanlage am Buffalo Speedway. Das Haus gehörte Raymond Evans, dem leitenden Direktor einer Firma, die Geräte zum Ölbohren herstellte. In seinem Büro teilte man auf Anfrage mit, daß er eine Woche verreist sei.
Um halb zehn am Abend des sechsten August saßen Hirsch und Haydon im Schnellimbiß »Steak & Eggs«, Ecke Oakley und Montrose und warteten auf einen Anruf von Mooney, der bestätigen sollte, daß es sich Rafael mit dem brasilianischen Mädchen in dem Haus am Buffalo Speedway gemütlich gemacht hatte. Sie waren nur vierzehn Blocks von seinem Apartmenthaus, dem Carrington, entfernt. Als der Anruf kam, bezahlte Hirsch für die Sandwiches, die sie gegessen hatten, während Haydon einen Anruf tätigte. Da Haydon den Wagen steuerte, befriedigte er eine persönliche Neigung und machte einen Umweg von rund einem Dutzend Blocks in die vornehme Gegend auf der Nordseite des Hermann-Parks. Die Brunnen waren beflittert mit ihrem eigenen Wasserstaub, der schwer in der schwülen Nachtluft hing, und die Straßenlampen entlang den Straßen, die den Park säumten, sahen aus wie helle weiße Perlen an einer Schnur, die sich bis zu den dunklen Wegen in den Waldgebieten erstreckten. Am üppigen, alten Warwick-Hotel zweigten sie nach Norden ab und fuhren wieder auf das Zentrum zu.
Nach ein paar Blocks bogen sie in die Terrassenauffahrt ein, die sie ein Stockwerk über der Straße auf den offenen Platz vor dem Carrington führte, wo sorgfältig angelegte Gärten das Hochhaus mit den Eigentumswohnungen umgaben. Sie parkten in einer abgelegenen Ecke und überquerten den Parkplatz im kupfernen Licht hoher Natriumdampflampen zum Haupteingang. Hirsch blieb in der Nähe der Türen, während Haydon zum Telefon in der Vorhalle ging und von dort aus telefonierte. Nach einem kurzen Gespräch hing er den Hörer ein und machte Hirsch ein Zeichen. Sie folgten einem breiten Korridor, der um zwei Ecken verlief, bevor sie an eine unbezeichnete Stahltür kamen, die keine Griffe aufwies. Es summte und klickte, Haydon stieß die Tür auf, und sie betraten einen stickigen Korridor ohne Klimaanlage, der in eine Lieferantengarage führte, wo ein Sicherheitsmann auf sie wartete.
»Frank«, sagte Haydon lächelnd und begrüßte einen Mann Ende Fünfzig, »das ist Leo Hirsch. Frank Winters.«
Der ältere Mann schüttelte dem anderen rasch die Hand, sagte aber kein Wort.
»So hab’ ich mir die Pensionierung vorgestellt«, bemerkte Haydon.
»Es ist auf alle Fälle besser als in den stinkenden Streifenwagen zu fahren«, sagte Winters mit einem schiefen Lächeln. »Und euch geht es um eine große Sache, nehme ich an.«
»Das stimmt«, bestätigte Haydon. »Ich bin dir wirklich eine Gefälligkeit schuldig, Frank, und ich werde es nicht vergessen.«
Winters war geschmeichelt, daß Haydon ihn ins Vertrauen zog, und versuchte, sich auf nüchterne Weise dessen würdig zu erweisen.
»Ich mache um Mitternacht Feierabend«, sagte er. »Ihr müßt also spätestens um halb zwölf verschwinden.«
»Kein Problem.«
»Habt ihr das Werkzeug?«
Haydon nickte.
»Okay, also, wie ich bereits sagte: Ich habe die elektronische Alarmanlage dieser Wohnung außer Betrieb gesetzt. Wenn ich euch hinaufgebracht habe in den zwanzigsten Stock, fahre ich wieder hier herunter in meinen Verschlag, damit niemand zufällig hereinkommt und sieht, was ich gemacht habe. Ihr Mann hier soll im Foyer des zwanzigsten Stocks bleiben, um zu vermeiden, daß unerwartet jemand
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