Kalter Amok
Lieblingsfutterplätzen gehörte, weil es so sauber war. Mooney haßte es, weil es überwiegend von Homosexuellen besucht wurde. Er schaute immer düster drein, solange er hier war, und verengte drohend die Augen, wenn er merkte, daß ihn jemand betrachtete.
»Also, so kann es nicht weitergehen«, sagte Haydon. »Wir kommen ihm nicht so nahe, wie das nötig wäre, und ich bin sicher, daß er wieder töten wird. Abgesehen davon ist es unmöglich, nach jedem seiner Rendezvous den Mädchen verrückte Geschichten zu erzählen und sie einer prophylaktischen Impfung zu unterziehen. Außerdem wird er sich auch mit Frauen treffen, von denen wir gar nichts wissen. Und er wird uns bestimmt keine schlagkräftigen Beweise in die Hände spielen.«
»Was ist mit dem Mädchen, das er heute abend getroffen hat? Wir müssen da doch etwas unternehmen, oder?« fragte Hirsch.
Haydon nickte. »Das müssen wir. Und das bringt uns in eine völlig neue Situation. Nämlich mitten hinein in die Geschichte.«
»Verdammt, ich bin bereit«, sagte Mooney. »Dieser Verrückte muß doch irgendwie gefaßt werden.«
Haydon trank seinen Kaffee und schaute einem jungen Paar zu, das draußen auf dem Gehsteig unter einem der Sonnenschirme saß. Beide trugen Abendkleidung; der junge Mann hatte seine dunkle Jacke ausgezogen und über einen Stuhl gehängt, und sein weißes Hemd leuchtete geradezu im Kontrast zu den Schatten auf der Straße. Plötzlich fühlte sich Haydon tief deprimiert. Er wollte allein sein, wollte Zeit haben zum Nachdenken. Er wollte eine Woche nachdenken und dann mit Nina irgendwohin fahren. Er hatte sie in den letzten Monaten nur selten gesehen, aber er wußte, daß sie sich Sorgen machte um ihn. Es tat ihm leid. Das alles war im Grunde eine schreckliche Zeitvergeudung.
Dann merkte er, wieder ganz plötzlich, daß Mooney und Hirsch ihn wartend anschauten.
»Ich glaube, ich habe mir etwas überlegt«, sagte er. »Eine Möglichkeit, wie wir ihn fassen können, und zwar so, daß er uns nicht entwischt. Es ist vielleicht ein bißchen kompliziert, aber die Alternative ist einfach nicht möglich. Wir können nicht warten, bis er einen Fehler macht.«
32
Der Shelbourne Tower war eines von Houstons kühnsten und elegantesten Wohnhochhäusern, entworfen von einem weltberühmten Architekten, dessen riskanter Konvex-Turm den prunkhaften Dimensionen seines Auftrags genau entsprach. Mit den fünfzig Stockwerken, die sich der Wolkenkratzer aus dem Mittelpunkt einer palmenbewachsenen Plaza nach oben reckte, im Zentrum der vornehmen Galleria-Post Oak-Gegend, war der Shelbourne Tower ein Wunderwerk vertikaler Architektur. Bei Tag erschien er einem wie ein raffiniert in Schichten gestalteter, bläulicher Eisblock, der so glitzerte, als würde er in der weißglühenden südlichen Sonne schmelzen. Jetzt dagegen, bei Nacht, erinnerte er an einen riesigen Obelisken aus Lalique-Kristall, der von innen durch ein blasses Schimmern erhellt wurde.
Hirsch saß auf dem vorderen Beifahrersitz, als Haydon seinen königsblauen Jaguar Vanden Plas durch die Einfahrt an der San Felipe auf den Parkplatz steuerte. Die Scheinwerfer trafen auf einen uniformierten Wachmann, der den Wagen anhielt und auf die Fahrerseite kam.
»Ja, Sir?«
Haydon zeigte ihm seinen Dienstausweis und nannte seinen Namen. Der Wachmann schaute auf einen Zettel, der an einem Klemmbrett befestigt war, fand Haydons Namen, hielt die Hand an den Schirm seiner Mütze und trat zurück. Sie umkreisten die Plaza, die zwischen den überdachten Auffahrten der zwei Türme ein großes Wagenrad von Blumenbeeten bildete, und hielten unter der Markise des Wohnturms, der an die South Post Oak Lane grenzte. Ein Portier riß den Wagenschlag auf und fragte, ob er den Wagen parken sollte. Haydon verneinte, gab dem Portier ein Trinkgeld, und die beiden Kriminalbeamten gingen hinein in das Foyer aus Marmor und Glas.
Sie blieben am halbrunden Empfangspult stehen, hinter dem ihnen eine Concierge entgegenlächelte, die einem Modejournal entstiegen sein konnte.
»Würden Sie bitte Senhor Paulo Guimaraes anrufen, im siebenundvierzigsten Stock, und ihm sagen, daß Mr. Haydon und Mr. Hirsch auf ihn warten?« Dann nahm Haydon Hirsch beiseite und besprach mit ihm noch einmal, wie sie vorgehen wollten.
»Wenn sie da sind, steigst du vorne ein, auf der Fahrerseite, so daß ich mit den beiden sprechen kann, sobald sie hinten Platz genommen haben. Russ Million war einverstanden – ich kann ihnen mündlich die
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