Kalter Amok
dieser Fotos Vergrößerungen im Format achtzehn mal vierundzwanzig. Glauben Sie, das geht?«
»Ich hoffe.« Murray betrachtete sie aus der Nähe. »Sie werden vielleicht ein bißchen körnig, aber nicht schlecht.«
»Außerdem möchte ich Dreizehn-achtzehn-Vergrößerungen von jedem Gesicht.«
»Auch von Teilprofilen?«
»Ja, sogar von Gesichtsteilen.«
»Hm. Und was ist mit besonderen Kennzeichen? Narben oder Muttermale an Arschbacken und Titten?« Er nahm ein Vergrößerungsglas aus einer Schublade und strich sich das strähnige Haar hinter die Ohren, damit es ihm nicht ins Gesicht fiel, wenn er sich hinunterbeugte.
»Gut.«
»Sonst noch was?«
»Ja, ich brauche sie – «
»– so schnell wie möglich«, sagte Murray, nickte wissend und blickte dann hoch.
»Die Sache ist sehr eilig«, bekräftigte Haydon.
»Scheiße, das hab’ ich nie bezweifelt.« Murray schüttelte sein fettiges Haupt und legte wieder das Vergrößerungsglas auf die Fotos.
Haydon ignorierte seine herausfordernde Art wie bei einem schlecht erzogenen Kind. »Wann kann ich sie haben?«
Murray warf noch einen kurzen Blick darauf und schätzte die Zahl der Vergrößerungen ab. Dann zog er die Mundwinkel nach unten.
»Übernehmen Sie die Verantwortung, wenn ich was anderes zurückstelle?«
»Haben Sie denn noch andere eilige Arbeiten?«
Murray bedachte Haydon mit einem Blick von sarkastischer Nachsicht.
»Okay«, sagte Haydon. »Ich übernehme die Verantwortung.«
»Morgen früh. Sagen wir, um halb elf.«
Als er wieder in seinem Büro war, machte sich Haydon an den Papierkram und füllte die Anträge aus, die er brauchte, um die Fingerabdrücke aus dem Reihenhaus in den Computer eingeben zu können. Dann beantragte er Daten von der Analyseabteilung über alle Personen, die eines Giftmords verdächtigt, oder überführt worden waren, Anschläge auf Prostituierte begangen zu haben, über Psychopathen, die gegen Prostituierte in irgendeiner Form tätlich geworden waren, und über Personen, die man verdächtigte, Massenmorde verübt zu haben.
Nachdem er den letzten Umschlag in die Hauspost gesteckt hatte, ging er zurück in sein Büro und rief Marvin Farris an, den Anwalt von Sally Steen, dessen Namen Hirsch in den Papieren der Steen entdeckt hatte. Er stellte sich telefonisch der Sekretärin von Farris vor, die ihn warten ließ, während im Hörer eine Streicherversion von »Moon River« ertönte. Als sich Farris schließlich meldete, war er zurückhaltend, aber höflich.
»Hier spricht Marvin Farris, Sergeant. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich untersuche den Tod einer ihrer Mandantinnen, Mr. Farris. Sally Steen.« Haydon wartete einen Augenblick, erhielt aber keine Antwort. »Wußten Sie, daß Sally Steen tot ist?«
»O ja, das wußte ich. Aber ich hätte nicht gedacht, daß ihr Tod das Morddezernat interessieren könnte.«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich vom Morddezernat bin.«
»Ach, sind Sie nicht aus dieser Abteilung?«
»Doch.«
Wieder herrschte ein paar Sekunden lang Schweigen, dann fuhr Haydon fort.
»Wir haben Kopien der Dokumente von Miss Steen, aus ihrem Haus…« Farris stieß einen Laut des Unwillens aus, den Haydon nicht interpretieren wollte. »Dabei haben wir festgestellt, daß eine Miss Judith Croft als Haupterbin von Miss Steen eingesetzt ist. Wir hätten gern gewußt, ob Sie sich deshalb bereits mit Miss Croft in Verbindung gesetzt haben.«
»Ich habe mit Miss Croft gesprochen, ja.«
»Wußte sie schon vor Ihrem Gespräch, daß sie die Haupterbin von Miss Steen war?«
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, Sergeant.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich meine, ich kann es nicht sagen.«
»Dann muß ich anders fragen. Hat Miss Croft Sie deshalb angerufen, oder haben Sie sich mit ihr in Verbindung gesetzt?«
»Das ist ebenfalls eine Frage, die ich nicht beantworten kann – tut mir leid.«
»Mr. Farris«, sagte Haydon ungeduldig, »vertreten Sie inzwischen Miss Crofts Angelegenheiten?«
»Ja, das ist richtig.«
Haydon schüttelte den Kopf. Jetzt, wo offen darüber geredet wurde – obwohl Farris versucht hatte, auszuweichen –, schien sich der Anwalt ein wenig zu lockern.
»Haben Sie ein spezielles Interesse an Miss Croft, Sergeant? Ich bin sicher, sie ist bereit zu helfen, so gut sie kann. Sie ist zutiefst erschüttert über den Tod von Miss Steen. Ich bin sicher, Sie verstehen das. Die beiden waren eng befreundet.«
»Ja, das kann ich verstehen.«
»Offensichtlich sind Sie der Meinung, der
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