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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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die Diele, auf die Haustür zu.
    Vanstratens Stimme eilte ihm voraus; sie vermittelte seine gute Laune. Als sie in die Bibliothek kamen, hatte er einen Arm um Nina gelegt, und die beiden lachten.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte er, blieb an der Tür stehen und richtete die Augen auf Haydon. »Sie nimmt mich nie ernst. Ich weiß«, sagte er und schaute zu ihr hinunter, »bei einem Sherry gelingt es mir viel besser, jemanden zu überreden. Holen Sie uns einen, und ich stelle es unter Beweis. Alles sieht anders aus bei einem Glas Sherry.«
    »Drei Sherrys?« fragte sie, lächelte noch immer und schaute Haydon an.
    Haydon nickte; Vanstraten kam heran an den Refektoriumstisch und sah nach, was Haydon las.
    »Hm«, machte er.
    »Was haben Sie?« fragte Haydon. Er deutete auf einen der roten Ledersessel und drehte seinen eigenen Sessel herum, um den Pathologen ansehen zu können.
    Vanstraten setzte sich und zündete sich eine Dunhill-Zigarette an. Er zupfte seinen Anzug zurecht, zog die weißen Hemdmanschetten nach vorn, bis sie aus den Ärmeln schauten, und verschränkte dann die langen Beine.
    »Ich glaube, ich habe das, was Sie suchen. Aber ich sag’s Ihnen gleich, Stuart, es ist bizarr.«
    Haydon wartete.
    Auf einmal war Vanstraten ernst und geschäftsmäßig. »Wie sich herausstellte, waren alle vier Mädchen verhältnismäßig in Ordnung. Keine hat Ihrem Körper zuviel zugemutet, aber die Diagnose der organischen Veränderungen durch die Krankheit wurde in den Fällen der Kielman und der Parmer beträchtlich verschleiert durch das Vorhandensein von Medikamenten. Nicht, daß es sich dabei um beträchtliche Mengen handelte, aber es reichte, um die Untersuchung zu komplizieren. Die Steen war, wie ich schon sagte, das beste Untersuchungsobjekt, weil sie sich in gutem Gesundheitszustand befand und keine Drogen genommen hatte. Aber sie hatte dafür ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel, und die Abtreibungen und der Herpes hatten einiges verändert.«
    Danach entstand eine Pause, während der Vanstraten schweigend rauchte. Nina kam herein, und jeder nahm sich ein Glas. Nina ließ sich in ihren Sessel sinken, gegenüber von Vanstraten, der ihr das Profil zuwandte, während er mit Haydon sprach.
    »Köstlich«, sagte er, nachdem er am Sherry genippt hatte. Dann gestattete er sich ein weiteres, verschwörerisches Lächeln für Nina. »Okay. Es stellte sich also heraus, daß das junge Mädchen das perfekte Untersuchungsobjekt ist. Ich glaube übrigens nicht, daß sie mexikanischer Abstammung ist. Sicher lateinamerikanisch, aber nicht mexikanisch. Abgesehen davon war sie so jung, daß man sie lesen konnte wie eine Landkarte. Ein wahrer Segen. Sie muß ungefähr um die dreiundzwanzig gewesen sein. Keine Drogen, kein Alkohol. Nichts. Sie war im dritten Monat schwanger. Keine Impfnarben, also besaß sie vielleicht nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft. Aber gehört die Impfung nicht zu den Voraussetzungen für die Einwanderung? Jedenfalls, die Beschreibung des Polizisten über ihr Verhalten vor dem Tod war für uns von unschätzbarem Wert, als wir uns mit ihr beschäftigten. Das hat uns viel Zeit erspart.«
    Als Vanstraten abbrach, um wieder einen Schluck zu trinken, zündete sich Haydon eine von seinen Zigaretten an. Nina schaute ihn an.
    »Natürlich deuteten die Krämpfe und die Anfälle auf eine neurologische Störung hin. Schön, aber man kann sich monatelang mit den betreffenden Gehirnabschnitten befassen und noch immer auf eine ganze Bibliothek von Informationen stoßen, die zur Entscheidung wichtig sind. Die mikroskopische Überprüfung der Zellpartien aus verschiedenen Gehirnabschnitten erlaubten uns, eine Reihe von Möglichkeiten von vorneherein auszuschließen. Delirium tremens kam nicht in Frage. Wir testeten auf Tetanus. Nichts. Dann versuchten wir es mit Guillain-Barré, der progressiven Paralyse. Nichts. Kinderlähmung? Nichts. Wir machten weiter, arbeiteten uns die Skala möglicher Störungen rauf und runter. Eine Virus-Enzephalitis? Nichts…«
    Vanstraten ging die Liste neurologischer Krankheiten durch, die sie bei ihren Untersuchungen überprüft hatten, ohne Ergebnis. Haydon inhalierte tief und hörte geduldig zu. Vanstraten hatte offensichtlich eine ganze Menge von Tests durchgeführt. Es war genau die Art von Herausforderung, wie sie der Pathologe liebte; sie erforderte ein Höchstmaß an Kreativität von ihm selbst und von seinen Mitarbeitern.
    »Schließlich begannen wir mit Vermutungen zu

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