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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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sehr hohe Körpertemperaturen, sekundäre bakterielle Infektionen, gastrointestinale Blutungen…« Vanstraten breitete die Hände aus; eine Geste der Hilflosigkeit.
    »Und alle diese Frauen sind so gestorben?« fragte Nina.
    »Ich fürchte, ja. Zumindest ist die Krankheit bei allen auf diese oder ähnliche Weise abgelaufen. Sie haben, fürchte ich, das alles durchgemacht, was ich gerade beschrieben habe.«
    »Gibt es Variationen – ich meine, verschiedene Arten von Tollwut? Können Sie zum Beispiel sagen, ob das Virus von einem Hund, einer Fledermaus oder einer Katze stammt?« fragte Haydon.
    »Auf die erste Frage kann ich mit Ja antworten. Auf die zweite nicht. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied. ›Stumme Tollwut‹ beschreibt eine Manifestation der Krankheit, bei der kein aggressives Verhalten auftritt. ›Rasende Tollwut‹ bezeichnet eine Form, in der der Patient überaus erregt erscheint. Bei der ›paralytischen Tollwut‹ ist die Paralyse das hervorstechendste Symptom. Die Krankheit wirkt sich bei verschiedenen Menschen unterschiedlich aus, und diese Typifizierung versucht nur, die äußeren Erscheinungen zu beschreiben.«
    »Und Sie können nachher nicht feststellen, welche von den drei Formen vorgelegen hat?«
    »Nein. Aber nach den Beschreibungen auf Tonband, die Sie mir gegeben haben, scheint dieses arme, lateinamerikanische Mädchen die Symptome der ›rasenden Tollwut‹ gezeigt zu haben.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wie viele Tiere um diese Jahreszeit in der Umgebung von Houston von Tollwut befallen sind?«
    »Ja.« Vanstraten grinste. »Als mir klargeworden war, was wir da an der Hand hatten, habe ich unser Archiv gebeten, sich genau zu erkundigen.« Er brachte ein kleines Notizbuch zum Vorschein und schlug es auf. »Im Jahre neunzehnhundertneunundsiebzig hatten wir elf Tiere mit Tollwut. Das heißt, so viele wurden festgestellt und nachgewiesen. Drei Skunks, vier Fledermäuse, ein Hund, zwei Katzen und ein Pferd. Neunzehnhundertachtzig gab es vier Fälle: ein Skunk und drei Fledermäuse. Neunzehnhunderteinundachtzig achtzehn Fälle: vier Skunks und vierzehn Fledermäuse. Neunzehnhundertzweiundachtzig, also in diesem Jahre, bis jetzt neun Fälle: sechs Skunks, zwei Fledermäuse und eine Katze.« Er klappte das Notizbuch zu und steckte es wieder ein.
    »Sie kennen meine nächste Frage.«
    »Ja – vermutlich. Wir hatten noch keinen einzigen Fall von Tollwut bei Menschen in Houston. Und nur ganz wenige in Texas. Ich habe zwanzig Jahre zurückgeblättert. Ein Fall neunzehnhundertzweiundsechzig, ohne weitere Details. Einer zweiundsiebzig, ein seltsamer Fall von zufälliger Ansteckung. Ein sechsundfünfzigjähriger Labortechniker, der bei einer pharmazeutischen Firma in Temple arbeitete, bereitete Rabies-Impfstoff vor, wobei er ein stabilisiertes Tollwutvirus benützte. ›Stabilisiert‹ bedeutet, daß das Virus in gewisser Weise verändert wurde, so daß es zwar nicht auf Menschen übertragen werden kann, aber dennoch ein lebendiges Virus bleibt. Das heißt, man nahm an es sei nicht auf Menschen übertragbar, bis sich dieser Unglücksfall ereignete. Der Techniker homogenisierte Gehirnmasse einer tollwutbefallenen Ziege in einem Mixer. Offenbar hat er beim Umfüllen in der Luft befindliche Viren eingeatmet; jedenfalls infizierte er sich mit dem Virus und starb. Neunzehnhundertsechsundsiebzig starb ein dreizehnjähriger mexikanischer Junge, nachdem er in San Antonio von einem tollwütigen Hund gebissen worden war. Und neunundsiebzig starb ein siebenjähriges mexikanisches Mädchen an Tollwut, in Egale Pass, an der mexikanischen Grenze. Keine Details. Das ist alles.«
    »Gibt es nationale Statistiken?«
    »Im Durchschnitt ereignete sich in den letzten zwanzig Jahren rund ein Fall pro Jahr. Und das schließt Guam, Puerto Rico und die Jungferninseln ein, sowie die Fälle, wo sich der Patient die Tollwut außerhalb der Vereinigten Staaten zugezogen hat und hierhergebracht wurde zur Behandlung.«
    »Also ist die tatsächliche Zahl von Tollwutfällen in den Vereinigten Staaten noch geringer.«
    »Ja, etwas geringer. Es sind wirklich sehr, sehr wenige.«
    Haydon trank seinen Sherry aus und stellte das leere Glas auf den Refektoriumstisch. Dann fiel sein Blick auf die Bücherregale. Das Licht kam von den drei Stehlampen auf den Beistelltischen neben den drei Anwesenden, und ihr Schein fiel auf die vielen Bücherrücken. Einige Bände mit Goldlettern funkelten im Licht, als wären sie in golddurchwirktes

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