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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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kommen – mit jeder Art von Nerven. Bei einem Hundebiß zum Beispiel wird die Haut aufgerissen, Nervengewebe liegen frei, und das Virus kommt über den Schleim in Kontakt. Wenn es soweit ist, bleibt das Virus zunächst bis zu sechsundneunzig Stunden ohne irgendwelche Veränderungen an Ort und Stelle und kann vernichtet werden, wenn man die Wunde sorgfältig mit Seife und Wasser wäscht. Nach dieser Zeitspanne beginnt sich das Virus im Muskelgewebe zu vermehren; es infiziert die neuromuskulären und neurotendinalen Stränge in seiner Umgebung.
    Dann breitet sich das Virus in einer zentripetalen Bewegung durch die Nervenbahnen aus, erreicht die peripheren Nerven und die Rückenmarksganglien. Von dort aus gelangt es über den spinalen Strang ins Gehirn. Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, vermehrt es sich fast ausschließlich in der grauen Masse und verbreitet sich zentrifugal entlang autonomer Nervenstränge, um weitere Gewebe zu erreichen, zum Beispiel die Speicheldrüsen, die Augen, die Geschmacksknospen, die Nervenenden der Haare, die Nebennierenrinde, das geruchsbezügliche Neuroepithel, die Bauchspeicheldrüse und so weiter. Dabei entsteht eine Enzephalitis, und ihre Symptome sind die ersten, die man deutlich erkennen kann. Von da an kann man gefährlich in die Irre geführt werden, wenn man die Geschichte der Infektion nicht kennt. Ein Arzt würde den Patienten höchstwahrscheinlich gegen eine der vielen Formen von Enzephalitis behandeln, die ich bei unserer ersten Untersuchung erwähnte.
    Von dem Augenblick an, wo das Virus die ersten winzigen Gehirnpartikel befällt und die ersten Symptome hervorruft, ist die Krankheit irreversibel. Sie verläuft grundsätzlich tödlich. Das heißt, ganz stimmt das auch nicht. Neunzehnhundertsiebzig hat ein sechsjähriger Junge in Ohio überlebt, nachdem er durch einen Biß einer tollwütigen Fledermaus infiziert wurde. Man hatte sofort eine Serie von Inokulationen durchgeführt, die normalerweise nur erfolgreich sind, während sich das Virus noch in der Inkubationszeit befindet; doch dann zeigten sich trotz Behandlung die Symptome der Tollwut. Der Kampf dauerte sechs Monate. Es gibt noch ein paar Berichte über Heilungen, aber die sind nicht durch Dokumente belegt.
    Die klinische Manifestation der Tollwut kann man in drei Stadien einteilen. Die prodromale Periode ist gekennzeichnet durch leichtes Fieber, um achtunddreißig Komma fünf, durch Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen und Halsschmerzen. Häufig findet man auch ein juckendes Gefühl an der Ansteckungsstelle, dem Biß, oder was es auch war. Die enzephalitische Phase ist gekennzeichnet durch eine Art nervöser Erregtheit, die sich auch durch Konfusion, Halluzinationen, Muskelspasmen und Sehstörungen ausdrücken kann. Die Zeiten geistiger Gestörtheit wechseln mit völlig klaren Perioden, aber bei fortschreitender Krankheit werden die lichten Momente seltener, kürzer. Die betroffene Person entwickelt Überempfindlichkeiten gegen helles Licht, laute Geräusche, Berührungen und sogar leichten Luftzug. Dabei steigt die Temperatur auf ungefähr neununddreißig Grad. Im autonomen Nervensystem entwickeln sich abnorme Reaktionen: Die Pupillen erscheinen geweitet, die Augen tränen, der Speichelfluß wird verstärkt und unkontrollierbar. Das ist das klassische ›Mundschäumen‹. Die Stimmbänder werden gelähmt.
    Das letzte Stadium überlappt sich mit dem zweiten oder setzt es fort, in Verstärkung dessen, was ich eben beschrieben habe. Von da an kann man von schweren Gehirnstörungen sprechen. Alle bisher erwähnten Symptome erscheinen verstärkt. Wenn der Patient in dieser Periode lichte Momente hat, vermeidet er, Wasser zu schlucken und zeigt die Symptome einer klassischen Hydrophobie. Von da an fällt er rasch in ein Koma, und die Beeinträchtigung des Atemzentrums führt zum Tod durch Atemstillstand. Die Zeit vom Auftauchen der Symptome bis zum Tod dauert durchschnittlich vier Tage.«
    Vanstraten hielt inne, trank etwas Sherry, schluckte ihn mit großem Genuß und bewegte dann die Zunge, um den Nachgeschmack zu kosten. »Es ist eine fürchterliche Art zu sterben.«
    »Können Sie die eigentliche Todesursache etwas genauer beschreiben?«
    »Nun, es bricht eben alles zusammen. Es gibt Gehirnschwellungen, hormonale Störungen, Sauerstoffmangel, eine bakterielle Pneumonie, unregelmäßigen Puls, kongestives Herzversagen, einen starken Abfall des Blutdrucks, Blutgerinnsel, erst sehr niedrige, dann

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