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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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Leinen gebunden.
    Haydon stand auf, ging um den Tisch herum und schaute dann hinaus auf die Terrasse. Cinco schlief; er hatte den Kampf mit den Junikäfern aufgegeben. Haydon sah, wie einer der Käfer über den Rücken des alten Hundes lief. Er hörte das Geräusch, wie Vanstraten sich noch einen Sherry einschenkte. Hörte das Schnappen des Dunhill-Feuerzeugs.
    »Es ist fast zu gespenstisch, als daß man darauf kommen würde, nicht wahr?« sagte Vanstraten.
    »Angesichts der Statistiken und der Situation werde ich nicht umhin können.« Haydon schaute immer noch durch die Terrassentür hinaus.
    »Sicher gibt es noch etwas anderes – ich meine, eine andere Erklärung für diese Fälle«, sagte Nina. »Wir sind hier in einem alten Teil der Stadt. In vielen Gebäuden hausen Fledermäuse. Und denkt mal an die vielen Türme rings um die Universität.«
    Haydon drehte sich herum. »Und die Fledermäuse beißen nur Callgirls?«
    »Aber wer könnte das sonst gemacht haben?«
    »Eine gute Frage«, sagte Haydon und kam wieder zum Tisch. »Van, ist es eigentlich schwierig, jemanden mit Tollwut zu infizieren, so, daß er es nicht merkt?«
    »Das habe ich nicht gemeint«, protestierte Nina.
    »Sie meinen, daß jemand, der so etwas tut, verrückt sein muß.« Vanstraten lächelte Nina an. »Ein wenig Symbolismus ist immer angebracht, im Leben wie im Tode.«
    »Nun, was ist Van?« drängte Haydon.
    »Also, das Virus ist nicht allzu kräftig, wenn man von der Art der Infektion ausgeht. Seine Virulenz ist es, die unsere Angst davor entstehen läßt. Der sichere Tod. Und außerdem handelt es sich keineswegs um ein Virus, dessen Verhalten bereits ganz bekannt ist. Sagen wir, Sie wurden von einer Fledermaus gebissen und infiziert. Das Virus kann bis zu sechsundneunzig Stunden an der Ansteckungsstelle bleiben, wie ich sagte. Danach wandert es über die Nervenbahnen in Richtung auf das Zentralnervensystem, das Gehirn. Diese Periode bezeichnet man als die Inkubationszeit. Während der Inkubationszeit vermehrt sich das Virus nicht, es wandert nur. Und es bewirkt keinerlei Symptome. Im Verlauf dieser Reise durch den Körper verliert die Wissenschaft seine Spur. Es kann irgendwo unterwegs aufgehalten werden Und eine Weile ruhen, dann weiterwandern und noch einmal ruhen. Man weiß nicht, wie es sich während dieser Zeit verhält. Es kann auch direkt ins Gehirn gelangen, auf dem kürzesten Weg. Aber sobald es das Gehirn erreicht hat – wenn es seinen Wirt befallen hat, wie man es medizinisch bezeichnet –, machen sich die ersten Anzeichen der Krankheit bemerkbar, vielleicht leichtes Fieber oder Kopfschmerzen. Von diesem Augenblick an ist man bereits dem Tode geweiht. Von da an hat man höchstens noch vier Tage zu leben.«
    »Auch wenn man behandelt wird?«
    »O nein. Bei medizinischer Intervention kann man das Leiden über fünfzehn bis zwanzig Tage hinziehen. Aber früher oder später erreicht das Versagen der Organe einen Punkt, bei der die Medizin nicht mehr in der Lage ist, ihr zu begegnen. Finis.«
    »Und wie variiert die Inkubationszeit?«
    »Sie reicht in seltenen Fällen von zehn Tagen bis zu einem Jahr und mehr.«
    »Mein Gott.«
    »Ja, das ist das Dumme für Sie. Bei diesen Todesfällen wird es keinen Tatort zu ermitteln geben. Selbst wenn Sie heute abend Ihren ›Verrückten‹ erwischen, können ein Jahr danach noch Menschen sterben, die er auf dem Gewissen hat. Hypothetisch.«
    »Und wie könnte er seine Opfer infizieren?«
    »Es gibt da unzählige Möglichkeiten. Er braucht nur das lebende Virus mit einem freiliegenden Nervengewebe in Kontakt zu bringen. Ein kreativer Geist kann sich da alles mögliche ausdenken, was ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen ist.«
    »Zum Beispiel?«
    »Wenn man ein Magengeschwür hat, reichen ein paar Tropfen in einem Getränk. Ein paar Tropfen in einer Flasche Visine, einem Augenwasser, oder in irgend etwas, das mit einer Nadel injiziert wird; irgendein Aerosol, mit dem man die Viren einatmet, ein paar Tropfen in einem Nasenspray oder einem Vaginalspray, einem Mundwasser oder Gurgelwasser gegen Halsbeschwerden. Es gibt zahllose Möglichkeiten.«
    Haydon setzte sich. Jetzt wußte er nicht mehr, wie er weiterfragen sollte. »Und die Prophylaxe?« fragte er.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Vanstraten und hielt die Zigarette am Filter, so daß sie senkrecht nach oben stand. »Für Tiermediziner, die ständig dem Risiko ausgesetzt sind, gibt es vorbeugende Spritzen, die sie gegen Infektionen

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