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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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Kopf nach vorne, riß ihn zurück und hüpfte nach einem inneren Rhythmus. Dann pfiff er wieder mit unglaublicher Klarheit und Lautstärke und trat dann plötzlich in die Mitte des Käfigs, der von seinem leimigen Kot verkrustet war. An seinem einen Bein war ein gelbes Band befestigt, das in einer Schleife von einem darüber befestigten Brett hing.
    Eine Sekunde lang dachte Hirsch, er müsse sich übergeben, aber als er langsam die Hand von seinem Dienstrevolver nahm, wich auch seine Übelkeit. Er richtete sich auf, ging zu dem Vogel hin, schaute in die roten Augen, die ihn anblinzelten.
    »Scheiße«, sagte er.
    »Halt’s Maul!« Die Stimme kam durch die dunkle Fliegengittertür hinter ihm. »Dich hab’ ich gemeint, Vogel.« Womit das Objekt des Kommandos bezeichnet war.
    Hirsch versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. »Ich hab’ mir Ihren Vogel angeschaut«, sagte er überflüssigerweise. »Ein Myna.« Er ging auf die Tür zu.
    »Mein Wachhund«, sagte die Frau. »Hat Ihnen einen schönen Schreck eingejagt, wie?«
    Hirsch grinste dümmlich. Er versuchte ohne Erfolg, hinter die Gittertür zu schauen, während er seine Plakette herausnahm und ihr sagte, weshalb er hier war.
    »Haben Sie das Foto?« Ihre Stimme war rauh.
    Hirschs Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt, und er sah die Frau hinter der Tür stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, die Beine gespreizt. Sie war Anfang Fünfzig; ihr langes Haar hatte sie auf dem Kopf getürmt wegen der Hitze, und sie trug nur ein dünnes Baumwollkleid. Sie hatte ein weißes Taschentuch in der Hand, mit dem sie fortwährend um den Mund herumwischte.
    Hirsch nahm das Foto heraus und hielt es vor das Gitter. Sie schaute es schweigend an.
    »Ist die auf dem Foto tot?«
    Hirsch nickte.
    Die Frau hakte die Gittertür aus und langte hinaus, dann schnappte sie mit den Fingern; Hirsch sollte ihr das Foto geben. Er gab es ihr und kam sich vor wie ein kleiner Junge, der einer strengen Lehrerin gehorcht. Sie stand da, hielt die Gittertür mit dem Fuß auf und betrachtete das Foto sehr eingehend. Dann begann sie leicht den Kopf zu bewegen, nach einer Weile entschiedener, bis aus der Bewegung ein Nicken wurde.
    Ein entschiedenes Nicken.
    »Ich kenne sie, sí .«
    Der Myna kreischte.
    »Sie kennen sie?«
    Die Frau sah ihn an. »Hab’ ich das nicht gerade gesagt? Ja, ich kenne dieses Mädchen, dieses wunderschöne Mädchen.« Sie stieß die Tür ganz auf und trat heraus auf die Veranda. Jetzt schaute sie die Straße auf und ab und ging dann an Hirsch vorbei zurück ins Haus. »Kommen Sie rein«, sagte sie.
    Er folgte ihr in ein kleines Wohnzimmer, dessen eine Seite als Eßzimmer diente, mit einem alten Tisch, in dessen Mitte ein gehäkeltes Deckchen drapiert war. Auf dem Deckchen stand eine Schüssel mit Mangos und Zitronen. Die Frau deutete ihm an, er solle sich an das eine Ende setzen, so, daß er direkt in die Küche schauen konnte.
    »Sie brauchen Eistee«, sagte sie, und ging in die Küche, um ihn zuzubereiten. Hirsch blickte sich nach den spärlichen Möbeln um. An der Wohnzimmerwand befand sich der unvermeidliche Hausaltar, umgeben von Plastikblumen und Fotorähmchen mit den Bildern ihrer Familie. Der obere Teil des Altars war mit Alufolie bedeckt, damit er das Licht der Kerzen reflektierte, die halb abgebrannt waren. Maria schaute von ganz oben herab, mit geneigtem Haupt, eine blaue Mantilla um Kopf und Schultern drapiert.
    In der gegenüberliegenden Ecke ständen das Fernsehgerät, davor ein fleckiger Sessel mit Stoffbezug und im rechten Winkel dazu ein Sofa. Alle Fenster waren offen; zwei davon gingen auf die Veranda hinaus. Eine Tür führte ins Schlafzimmer, eine andere auf eine kleine Diele und ins Bad, wie Hirsch vermutete.
    »Suchen Sie schon lange nach diesem schönen Mädchen?« rief die Frau von der Küche herüber. Er hörte, wie sie Eiswürfel aus dem Behälter nahm.
    »Seit zwei Tagen«, antwortete Hirsch.
    Er spürte den Wind aus dem grünen Ventilator, der auf einem Gestell in der Nähe der Küchentür stand. Die Frau kam herein mit einem riesigen Glas Tee, in dem die Eiswürfel schwammen. Sie stellte es vor ihn hin und legte ein Büschel grüner Blätter daneben.
    »Minze«, sagte sie. »Die ziehe ich gleich draußen an der Tür. Ich hab’ sie gewaschen, weil die Katzen manchmal draufpissen. Aber Minze ist gut zum Kochen, und man kann daraus wunderbaren Tee machen.« Sie trat zurück, nahm ihr Taschentuch aus dem Ärmel und

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