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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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ihren Überlegungen zu den Steinschlagfällen.
    Marielle erzählte, wie sie sich mit den Landkarten beschäftigt und im Resultat getäuscht hatten – es ergab gar kein richtiges Drachenviereck als Mittelpunkt, auch ergab es keinen Stern, wenn man die Tatorte miteinander verband. Auf einer simplen Übersichtskarte »Tirol« war offenkundig geworden, dass die Gebirgsgruppen anders zueinander lagen als zunächst gedacht. Die Linien zwischen den Tatorten bildeten ein komisches krummes Dreieck, das weitere Dreiecke barg. Ein wirkliches Zentrum war nicht zu ermitteln gewesen.
    Sie holte eine Schwarz-Weiß-Kopie aus ihrer Laptoptasche. Mit rotem Markerstift hatte sie darin die Einzeichnungen vorgenommen.
    »Das, was ich schraffiert habe, ist für mich irgendwie das Zentrum des Gebildes«, sagte sie und schaute Schwarzenbacher an. »Doch dieses Zentrum umfasst in der Realität eine Gegend, wo nur wenige Menschen leben: den Ahornboden und die Eng im Karwendel, rüber bis zum Achensee und nach Steinberg am Guffert. Wenn an unseren Überlegungen etwas dran wäre, bräuchte man nur diese Gegend abzuklappern und fände dann irgendwann den, der für alles verantwortlich ist. Theoretisch. Denn natürlich kann so jemand auch längst weggezogen sein. Oder selbst gestorben.«
    Schwarzenbacher ließ sich die Kartenkopie geben und studierte sie genau. Es dauerte fast zwei Minuten, bis er etwas sagte.
    »Mathematisch. Ein mathematischer Ansatz. Aber«, er schaute von Marielle zu Pablo und wieder zu Marielle, »aber durchaus interessant. Ihr geht also davon aus, dass ein Täter, der in eurem magischen Viereck lebt, zu den Tatorten in etwa gleich lange Anreisewege hätte?«
    Pablo nickte. Marielle nickte.
    »Nun schaut euch aber die Karte noch mal genau an. Denkt sie euch nach Norden weiter. Denkt euch München und zieht in Gedanken Linien zu den Orten. Ihr werdet sehen: Von München aus ergäben die Linien einen durchaus interessanten Fächer …«
    »Dann sind wir also nicht weiter als bisher«, sagte Pablo und schob sich, wie zum Trotz, eine Gabel voll Kartoffelsalat in den Mund.
    »Das würde ich nicht sagen«, meinte Schwarzenbacher. »Ich denke vielmehr, dass wir eure geographische Analyse irgendwann vielleicht noch gut gebrauchen können.«
    Alle drei widmeten sich wieder ihren Mahlzeiten. Schweigend aßen Schwarzenbacher und Pablo ihre riesigen Wiener Schnitzel, Marielle stocherte nachdenklich in ihrem gemischten Salat herum. Die Unterhaltung von mindestens hundert Studenten, die an den Tischen ringsum beim Essen saßen, war eine Art ignorierter Dauerbeschallung – wie ein Meeresrauschen, bei dem sich die Wellen nicht zurückzogen, sondern immer nur anlandeten.
    Irgendwann brach Marielle das Schweigen. »Ich nehme an, dass du in eine andere Richtung gedacht hast. Wo können wir ansetzen?«
    »Das Schnitzel ist hervorragend. Wie immer«, sagte Schwarzenbacher. Was zwar keine Antwort auf Marielles Frage war, aber zweifellos stimmte. »Ich komme alle vierzehn Tage zum Essen her. Wenn ich öfter käme, würde ich dick und fett werden. Mein Problem ist, dass ich ja immer nur herumhocken kann. Insofern bin ich froh um die geistige Bewegung, die mir diese Geschichte verschafft. Besser als gar keine Bewegung.«
    Pablo schob seinen Teller, auf dem nichts weiter übrig war als eine Zitronenscheibe, ein bisschen Petersilie und ein roter Ketchuprest, zur Seite. »Und wohin führt dich die Bewegung?«
    Schwarzenbacher grinste. »Zwei Dinge müssen getan werden: Ich muss mit den Beamten und Staatsanwälten reden, die sich seinerzeit der jeweiligen ›Unglücksfälle‹ angenommen haben. Kein leichtes Spiel. Von denen will sicher keiner, dass jetzt wieder in etwas lange Vergangenem herumgeschnüffelt wird. Und vor allem will keiner, dass sich dann etwas als Mord erweisen könnte, was sie damals vielleicht vorschnell als Unglücksfall abgetan haben.«
    »Okay«, sagte Pablo. »Wird dann überhaupt etwas herauszubekommen sein?«
    »Oh«, sagte Schwarzenbacher, »da bin ich mir ganz sicher. Irgendetwas erfährt man immer – auch wenn Leute nichts sagen wollen. Und euer Part wird sein, die Tatorte einer gründlichen Inspektion zu unterziehen. Vom Alpenverein hier in Innsbruck und in München haben wir ja einiges an Material bekommen. Genaue Beschreibungen der angeblichen Unfallorte. Zum Teil sogar mit Fotos.«
    Er trank die Cola aus, setzte das Glas ab und sagte: »Nehmt ihr auch noch einen Espresso oder einen Braunen?«
    Aber weder Marielle noch

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