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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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damals so schlecht gemacht? Wenn es Anzeichen für Gewalteinwirkung gegeben hätte, dann wären wir ihnen doch wohl auch nachgegangen, meinen Sie nicht? Ich finde es jedenfalls geradezu unverschämt …«
    Dass ihn Schwarzenbacher nicht unterbrach, nur dahockte in seinem Rollstuhl und ihn reglos ansah, brachte Kröninger immer mehr aus der Fassung.
    »… unverschämt und anmaßend, um das in aller Deutlichkeit zu sagen. Wir haben damals unsere Arbeit gründlich gemacht. Mord stand nicht zur Debatte. In den Bergen passieren nun mal Unfälle, und dieser Mannhardt ist weiß Gott nicht der Einzige, der abgestürzt, erfroren, in eine Gletscherspalte gefallen oder von Steinen getroffen worden ist. Das ist eben auch das Risiko, wenn man in die Berge geht. Und wenn Sie mir jetzt erklären, was uns damals zu einem Mordverdacht hätte führen sollen, dann … dann …«
    Er wusste offenbar nicht recht, wie er den Satz zu Ende bringen sollte. Und Schwarzenbacher dachte gar nicht daran, ihm zu helfen.
    »… dann … ich möchte einfach wissen, worauf sich Ihre Überlegungen begründen. Ich jedenfalls halte das alles für ziemlich abstrus.«
    Schwarzenbacher lächelte und ließ weitere Sekunden des Schweigens verstreichen, die unangenehm im Raum zu ticken schienen. Dann sagte er:
    »Mit Verlaub, Herr Staatsanwalt, Sie nehmen meine Überlegungen zu persönlich. Glauben Sie, ich würde Ihnen eine Schuld zuschieben wollen. Aber wenn Sie es genau wissen wollen: Mir ist es scheißegal, ob Sie damals einen Fehler oder alles richtig gemacht haben …«
    »Was erlauben Sie sich eigentlich?«, prustete Kröninger los.
    Das Lächeln in Schwarzenbachers Gesicht blieb unverändert. »Was ich mir erlaube? Sagen wir mal so: Es hat seine Vorteile, nicht mehr im Polizeidienst zu sein, nicht mehr einem Apparat anzugehören, der gegen missliebige Mitarbeiter oder unerwünschte Untersuchungen seine ganze Macht in Gang setzt. Und es hat bisweilen seine Vorteile, als Rollstuhlfahrer diese ganze Gesellschaft ein wenig von ihrem Rand her zu beobachten. Und das alles kann ich mir erlauben. Ist Ihre Frage damit beantwortet?«
    Jetzt ließ Schwarzenbacher das Lächeln aus seinem Gesicht verschwinden. »Vielleicht sollten Sie das auch mal versuchen: die Angelegenheiten aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Sie sind schon seit einiger Zeit kein Staatsanwalt mehr. Der Staat, um es ganz salopp zu sagen, kommt auch ohne Ihre Dienste ganz gut aus. Mir wäre verdammt noch mal viel geholfen, wenn Sie Ihre symbolische Robe ablegen würden und mir einfach so, von Mann zu Mann, sagen würden, ob es sich damals bei den genannten Fällen auch um Morde hätte handeln können. Von mir aus kann unser Gespräch vertraulich bleiben. Wenn Sie irgendwelche Hinweise hätten, und wären sie noch so klein, dann finden wir die Fährte. Und ich garantiere Ihnen: Auf Ihre saubere Weste gerät nicht der kleinste Fleck.«
    Der Staatsanwalt i. R. war zunächst sprachlos. Er sah Schwarzenbacher lange und durchdringend an. Er schien abzuwägen, ob und in welchem Maß er dem Rollstuhlfahrer trauen konnte. Es verging beinahe eine Minute, bis er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Kröninger trank mit leicht zittriger Hand – was genauso vom Alter herrühren konnte wie von seiner Nervosität – einen Schluck Tee, setzte die Tasse vorsichtig ab, sah an die Decke, als könne er dort versteckte Botschaften finden, und begann zu reden.
    »Todesfälle wie diese gehören zu den leidigen Aufgaben der Staatsanwälte. Wenn es einen Autounfall mit einem Toten gibt – Sie werden das wissen –, bleibt die Straße so lange gesperrt, bis ein Staatsanwalt sich vor Ort ein Bild über die Situation verschaffen konnte. Oft ist alles ganz klar. Man bespricht sich mit den Leuten von Polizei, Feuerwehr, Notärzten, bekommt einen ersten Eindruck, der dann durch deren schriftliche Berichte in aller Regel bestärkt wird. So weit, so gut – oder so schlecht, wie Sie wollen. Bei Bergunfällen, wie sie leider auch viel zu häufig vorkommen, liegt die Sache kaum anders. Mit dem Unterschied, dass man schwieriger zum Unfallort kommt. Und dass oft manches noch schwerer zu erfassen ist als auf der Straße. Beim Straßenverkehr glaubt man ja immer, mitreden zu können. Da durchschaut man Ursachen und Wirkungen eher schnell. Beim Bergsteigen ist das nicht ganz so einfach.«
    Er nippte wieder am Tee, gönnte sich danach eine kurze Bedenkzeit, fuhr dann fort: »Nicht dass Sie meinen, die Berge

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