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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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nicht heißt, dass man deshalb noch richtig reagieren kann. Aber wenn sich weit oben ein Stein löst, dann schlägt der meist mehrmals in der Wand auf, ehe er dich treffen kann. Mit etwas Erfahrung – und dieser Dahmann war ein erfahrener Berggeher – weiß man, was es bedeutet, wenn es über dir zu krachen oder zu poltern anfängt.«
    »Und was macht man dann?«
    »Es gibt verschiedene Varianten«, sagte Ipflinger. »Und alle können richtig oder falsch sein. Wenn du den oder die Steine weit oben hörst, kannst du noch ein Auge riskieren – ich meine das ganz im Ernst. Du kannst noch schauen, von wo Gefahr droht, und dann versuchen, aus der Schusslinie zu kommen. Wenn du den Stein schon nahe glaubst, kannst du auf Verdacht in die eine oder andere Richtung losrennen. Das ist russisches Roulette. Die beste Lösung wäre immer noch, sich zusammenzukauern, eng an den Fels zu drücken und den Rucksack über Nacken und Kopf zu ziehen. Pech ist dann, wenn der Stein ein gewaltiger Brocken ist – dann ist das Genick ab oder der Kopf ist Matsch. Aber wie gesagt: Meist hat man noch eine kleine Chance. Und in dem Gelände, wo Dahmann zu Tode gekommen ist, da muss er den Stein kommen gehört haben. Das geht eigentlich gar nicht anders. Magst noch ein Bier?«
    Schwarzenbacher hatte sein Glas ausgetrunken, dankte nun aber kopfschüttelnd. »Kein Bier mehr. Aber vielleicht noch einen Kaffee, wenn es nicht zu viel ausmacht.«
    »Gern«, sagte Ipflinger. »Aber wenn du noch ein Viertelstündchen warten könntest. Dann bekämen wir nämlich auch was Süßes dazu. Und derweil kann ich dir erzählen, was du wahrscheinlich vor allem hören willst.«
    Schwarzenbacher nickte zustimmend.
    »Ich habe gleich beim ersten Mal, als ich allein zu dem Unglücksort gekommen bin, in etwa fünfzehn Metern Abstand zur Fundstelle der Leiche etwas entdeckt, das bis heute ein Rätsel ist. Besser sage ich: ein Rätsel wäre, wenn sich irgendjemand dafür interessieren würde. Zwischen den Steinen, wie jemandem aus der Tasche gefallen, lag da ein iPod – du kennst diese winzigen Geräte von Apple, die man zum Musikdraufladen verwendet? Damals waren sie noch ein bisschen größer und nicht ganz so windschnittig.«
    Er lachte. »Jedenfalls laufen heute alle jungen Leute damit herum, so mit Stöpseln im Ohr. Und zunehmend auch ältere. Ich hab mir mittlerweile selbst so ein Teil angeschafft. Ziemlich teuer, aber auch ziemlich praktisch. Es macht schon Spaß, seine Musik dabeizuhaben, wenn man im Zug sitzt oder an einem freien Tag am Walchsee liegt. Allerdings, so viel komme ich nicht weg. Mit diesem Hof hier sind wir schon auch sehr angehängt …«
    Der junge Beamte war Schwarzenbacher eigentlich ja sympathisch. Aber auch wenn er alle Zeit der Welt hatte – es würde schließlich noch Stunden dauern, bis er Marielle und Pablo wiedertraf –, so wurde er doch allmählich ungeduldig. Es interessierte ihn nicht allzu sehr, ob Ipflinger oft an den See kam oder nicht. Was war mit dem iPod?
    »Was ist mit diesem iPod? Erzähl! Lass dich nicht so bitten.«
    »Entschuldige«, sagte Ipflinger. »Entschuldige. Aber es fällt mir nicht leicht, die alte Geschichte aufzuwärmen. Und dabei fürchten zu müssen, Ärger zu bekommen.«
    »Du glaubst, es war ein Mord. Ich glaube, es war ein Mord. Es bleibt dir und mir nichts anderes übrig, als den Finger in diese eitrige Wunde zu legen.«
    »Du hast ja recht. Aber du kannst mir glauben, ich hab mir die Finger schon reichlich verbrannt. Ich war jung. Voller Ehrgeiz. Dann finde ich den iPod. Nur das kleine Gerät. Ohne Kopfhörer. Ich habe es gesichert, in eine Plastiktüte verpackt. Bestimmt kaum Fingerabdrücke hinterlassen. Eigentlich wollte ich das Teil gleich aufs Revier bringen. Aber dann …«
    Schwarzenbacher zog fragend eine Augenbraue hoch.
    »Ich hab mich eines Vergehens schuldig gemacht.«
    Schwarzenbacher sagte nichts. Es war ihm egal, worin das Vergehen bestand – wenn es ihm nur dienlich war bei seinen Untersuchungen.
    »Ich hab den iPod mit nach Hause genommen. Bin zum Nachbarn, der hat halbwüchsige Kinder. Na ja, und einer der Söhne ist mit den Ohrhörern zu mir rüber und hat mir gesagt, was ich machen müsste. Er hat natürlich nicht schlecht gestaunt, als er es nicht berühren durfte. Ich hab das Gerät mit der Pinzette und einem kleinen Schraubenzieher bedient. So bin ich an die Liste der gespeicherten Musikstücke gekommen. Der Nachbarjunge kannte das meiste davon.«
    »Er kannte das meiste?

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