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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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mit einem sorgfältig zusammengelegten Taschentuch Schweißperlen von der Stirn.
    »Gehen Sie zur Polizei! Ich beschwöre Sie: Stellen Sie sich – und machen Sie für sich und die Welt reinen Tisch in diesen schrecklichen Angelegenheiten.«
    »Ich habe Angst davor«, sagte Klar. »Ich habe Angst davor, die nächsten Jahre eingesperrt zu sein.«
    »Sie hatten keine Angst davor, Ihren Opfern das Gehirn aus dem Kopf quillen zu sehen! Kommen Sie mir jetzt nicht mit Angst! Und was das Eingesperrtsein betrifft: Sie sind eingesperrt. Auch jetzt. Und wenn Sie sich nicht stellen, dann werden Sie keinen freien Atemzug mehr nehmen, solange Sie leben. Sie müssen nicht nach Tirol fahren – hier in der Bahnhofstraße Nummer 15 ist ein Polizeikommissariat. Sträuben Sie sich nicht länger – gehen Sie dorthin. Ja, gehen Sie. Ich kann nichts für Sie tun, nicht im Moment. Aber wenn Sie sich stellen, wenn Sie die Verantwortung übernehmen, dann werde ich auch versuchen, Ihnen geistlichen Beistand zu leisten.«
    Olaf Klar erhob sich wortlos. Die Schultern so gesenkt, als hätte er sich die beiden Toten ganz real aufgeladen, ging er zur Tür. Erst da sagte er ein fast tonloses »Danke schön«, ging leise hinaus und verschwand.
    Superintendent Oltmanns hörte die Eingangstür ins Schloss fallen.
    Olaf Klar sah er nie wieder.
    * * *
     
    »In den Monaten, die auf unseren gemeinsamen Winter folgten, ist Ferdinand immer seltsamer geworden. Schon bevor wir auf die Alm hinauf sind, ist er immer häufiger in den Bergen herumgestreunt. Ich war der Meinung, er brauche das Alleinsein, um mit sich ins Reine zu kommen. Und irgendwie stimmte das ja auch. Ferdinand rang mit sich selbst, da bin ich mir ganz sicher. Er suchte die Einsamkeit, um die richtige Entscheidung zu finden. Und als er dann hörte, Karl wolle unter der Woche in die Leutasch und zur Meilerhütte, da ist er auch dorthin und hat auf ihn gewartet …«
    »Haben Sie davon gewusst?«
    »Ich hab keine Ahnung gehabt, was in Ferdinand vorging.«
    »Ob Sie davon gewusst haben, will ich hören!« Hosp konnte seine Ungehaltenheit nur schwer beherrschen.
    Hedwig Senkhofer zögerte eine Weile. Dann sagte sie entschieden: »Nein.«
    »Was geschah dann?«, fragte Hosp.
    Wieder zögerte sie.
    »Können wir nicht eine Pause machen?«, bat sie schließlich.
    »Können wir«, sagte Hosp. »Bald. Doch davor hätte ich gerne noch erfahren, was geschah, als Ferdinand nach der Tat zu Ihnen zurückgekehrt ist.«
    Sie schwieg. Schwieg beharrlich. Sah Hosp lange an. Und sah ihn lange nicht an. Sie schien sich sammeln zu müssen und dabei abzuwägen, was sie sagen wollte und was sie besser verschwieg.
    »Er kam auf die Alm, hatte Blut an den Hosenbeinen und an seinem durchgeschwitzten Hemd und sagte zu mir: ›Ich hab den Karl totgemacht.‹ Sie können es glauben oder nicht: Als ich verstanden hatte, was wirklich geschehen war, hab ich eine Axt genommen und bin ihm nach. Er ist weggerannt, immer um die Hütte herum, herum und herum, und ich hätte ihm den Schädel gespalten, wenn ich ihn erwischt hätte. Doch irgendwann hatte ich keine Kraft mehr, bekam keine Luft mehr, bin einfach hingefallen und habe nur noch geheult. Und Ferdinand hockte zehn oder fünfzehn Meter weit weg von mir, hat geschnauft wie eine Dampflok, er hat mich belauert und ich ihn. Dann sind wir tagelang um uns herumgeschlichen, sind uns zwar aus dem Weg gegangen, soweit das nur möglich ist da oben, geredet haben wir gar nichts miteinander. Tagelang, eine Woche, vielleicht sogar zwei.«
    Sie schaute zu Hosp. Ihre Augen schienen etwas zu fragen. Ihm kam es vor, als würde sie sich wenigstens ein bisschen Verständnis erhoffen. Aber er gab ihr keines. Er war froh, dass sie sich davon nicht beirren ließ, sondern weitererzählte.
    »Aber dann … wir sind wieder aufeinander zu … sind zueinander zurückgekehrt … so wie ein altes Ehepaar halt … es wär ja auch nicht gegangen, nur aneinander vorbeizuleben … und außerdem ist mir immer klarer geworden, dass Ferdinand das auch mir zuliebe getan hat. Nicht etwa, dass ich es gutgeheißen hätte! Aber wenn ich mich in seine Lage versetzt habe, ist mir bewusst geworden, dass es so ist.«
    »Dann war er nie im Ausland, sondern immer auf dieser Alm versteckt?«, fragte Hosp.
    Hedwig Senkhofer nickte.
    »Es ist doch gar nicht aufgefallen. Ob Ferdinand auf unserer Alm war oder in Australien – er hat vorher niemanden interessiert und nachher genauso wenig. Er hätte bis ans Ende

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