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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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Jahre im September, nach der Sommersaison.«
    Der Beamte war sich sicher, dass es wieder gewünscht wäre, konnte aber nichts Genaueres dazu sagen. »Da muss ich mal mit den Wittmundern telefonieren. Bestimmt wollen die. Ich mach mich schlau und geb Ihnen Bescheid.«
    »Und wie geht’s sonst so?«, fragte Oltmanns. »Viel zu tun?«
    »Bei uns doch nicht. Vorsaison! Vor allem junge Familien und Rentner, die jetzt da sind. Kein Problem. Mal ‘ne Schlägerei in einem Gasthaus, letzte Woche ein Autodiebstahl – aber wer sich heute einen Audi A6 kauft, muss damit rechnen, dass dieses Teil bald in der Ukraine herumkutschiert wird. Na ja, und sonst das Übliche: Autounfälle, gewaltsame Ehestreitigkeiten, Ladendiebstahl und leider viel zu viele Jugendschutzthemen: Komasaufen, Drogen, diese ganze Scheiße … oh, Pardon, Herr Pfarrer!«
    »Ist schon gut«, sagte Oltmanns. »Es gibt Dinge, die man beim richtigen Namen nennen muss … Dann wünsche ich Ihnen weiterhin einen ruhigen Tag und Abend … Und Sie lassen von sich hören, ja? Vielen Dank.«
    Olaf Klar war nicht zur Polizei gegangen. Zumindest bis jetzt nicht.
    Vielleicht hängt er bereits an irgendeinem Baum, dachte Oltmanns – und ertappte sich dabei, dass ihm dieser Gedanke keinen schmerzhaften Stich versetzte.
    Was ihn schmerzte, war der Umstand, dass die Entscheidung weiterhin bei ihm lag.
    Er traf die falsche.

12
     
    Marielle ließ sich nicht viel Zeit mit ihrer Genesung. Sie war so wütend darüber, in dieser gar nicht allzu schwierigen Seillänge an der Fleischbank gestürzt zu sein, dass sie noch mit Fäden in der Wunde und Verband um den Arm ein verschärftes Training aufnahm. Gymnastik, Aerobic, Klettern in der Halle. Und fast tägliches Lauftraining – am liebsten bergauf.
    »Übertreib’s nicht«, sagte Pablo.
    »Ich will, dass mir so was nie wieder passiert«, gab sie trotzig zurück.
    »Das hätte jedem passieren können«, sagte Pablo. »Manchmal hat man eben Pech. Wobei – richtiges Pech hast du ja gar nicht gehabt. Hättest dir genauso das Becken brechen können oder die Schulter, und das wär dann richtig scheiße gewesen.«
    »Du verstehst das nicht«, sagte sie.
    »Dann erklär es mir.«
    Sie warf ihm einen düsteren Blick zu. Und spürte im selben Moment ihre eigene Ungerechtigkeit. Ihn traf nun wirklich keine Schuld an ihrer Misere.
    Sie setzte sich zu ihm auf die Couch, schlug die Beine im Schneidersitz unter, legte einen Arm um seine Schultern und drückte ihre Stirn an seine Schläfe.
    »Sei mir nicht böse«, sagte sie. »Ich bin einfach ein bisschen von der Rolle. Ich hab geglaubt, alles schon weggesteckt zu haben. Aber das stimmt nicht. Ich bin noch nicht wieder richtig bei Kräften. Sowohl physisch als auch mental fehlt wohl noch ganz schön viel.«
    »Wenn du eine Zeit lang weniger schwer kletterst, dir weniger abverlangst, dann kehren bei dir Fitness und Selbstvertrauen ganz von selbst zurück. So wie du jetzt angreifst, setzt du dich viel zu sehr unter Druck.«
    Aber sich selbst unter Druck zu setzen, das war nun einmal Marielles Art, mit schwierigen Situationen klarzukommen.
    * * *
     
    Für Gensner war es ein Schock. Die Lektüre der einschlägigen alpinen Fachzeitschriften gehörte zu seinem Pflichtprogramm. Als Geschäftsmann musste er wissen, was es in der Szene Neues gab, welche Trends sich abzeichneten, kurzum: was alles so los war in den Bergen der Welt. Doch beim Durchblättern der neuen Ausgabe des DAV-Panorama, der Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, wurde er blass.
    Er saß am Frühstückstisch in seinem Loft in Haidhausen, trank einen Café Latte, kaute noch auf einem Stück Semmel mit Bitterorangenmarmelade herum, als er auf die Meldung stieß, die ihm den Appetit völlig verdarb.
    »Was ist mit dir?«, fragte Mona, die ihm in ihrem weißen Bademantel gegenübersaß und rauchte.
    »Was soll mit mir sein«, gab Gensner barsch zur Antwort. »Nichts! Nichts ist mit mir!«
    »Aber du hast doch was. Du bist plötzlich so fahl im Gesicht. Ist dir nicht gut?«
    »Mir ist gut«, sagte Gensner. »Mir fehlt nichts. Ich muss nur … ich muss aufs Klo … mein Magen ist ein bisschen durcheinander.«
    Und er stand auf und verzog sich mit der Zeitschrift auf die Toilette. Auf dem Klodeckel sitzend, las er wieder und wieder, was ihm einen derartigen Schrecken versetzt hatte:
    »Nachuntersuchung bei Steinschlagunfällen – Kriminalpolizei Innsbruck bittet um Mithilfe«.
    Er brauchte gar nicht alles zu lesen, er hatte es

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