Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
antwortete:
»Soll vorkommen bei jungen Mädchen. Vielleicht hat sie einen Freund, von dem die Eltern nichts wissen sollen. Sie glauben doch nicht etwa, dass ihr Verschwinden etwas mit den Morden zu tun hat?«
»Ich glaube nicht an Zufälle. Grevendorf ist eine 1000-Seelen-Gemeinde. Zwei Vorfälle in einer Woche finde ich schon bemerkenswert. Ich hatte eigentlich gedacht, Verena würde Agnes ganz gut kennen und könnte mir weiterhelfen.«
»Tut mir Leid. Aber ich glaube, dass Verena Sie nicht sonderlich mag, deshalb ihr unfreundliches Benehmen. Ich würde Ihnen ja helfen, aber leider weiß ich nicht einmal, wer Agnes Kontos ist«, sagte ihr Gesprächspartner, während er sich in der Küchenspüle mit dem Spülmittel die Hände wusch.
»Es geht hier doch nicht um Sympathie und Antipathie. Ein 16-jähriges Mädchen ist verschwunden, sie ist vielleicht in gro- ßer Gefahr. Richten Sie Verena aus, dass sie mich anrufen soll, wenn ihr noch etwas zu Agnes einfällt.«
Pia legte ihre Karte auf den Küchentresen. Gleichzeitig stellte sie sich vor, wie diese bei nächster Gelegenheit direkt im Mülleimer landete.
Klaus Biel geleitete sie in den schmalen Flur, wo er sich an der Garderobe sein Jackett und einen Mantel überzog.
»Verena hat übrigens mit dem jungen Bennecke Schluss gemacht«, sagte er beiläufig, »und zwar direkt nachdem ich ihr einen Heiratsantrag gemacht habe. Ich wollte wirklich nicht, dass sie weiter einen Narren aus sich macht, und ich wusste ja, wie versessen sie aufs Heiraten ist.«
Ein spöttisches »Na dann viel Spaß ...« lag Pia auf der Zunge. Sie verließen das Haus, gingen nacheinander den schmalen Plattenweg hinunter. An der niedrigen Gartenpforte angekommen, drehte sich Pia in Colombo-Manier noch einmal um:
»Übrigens, Herr Biel, wo waren Sie eigentlich am Montagabend zwischen acht Uhr und Mitternacht?«
Im ersten Moment sah es so aus, als ob Klaus Biel einfach in seinen Wagen steigen und davonfahren würde. Dann überlegte er es sich anders und kam zu ihr hinüber. Er blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie die Mitesser auf seiner Nase sehen und das verspeiste Ei riechen konnte.
»Ich hatte ja jede Menge Geduld mit Ihnen und Ihren Fragen. Aber nun reicht es mir. Alles Weitere nur noch über meinen Anwalt!«, fauchte er.
»Vielen Dank. Drohungen mit Anwälten ziehen automatisch weitere Erkundigungen nach sich. Ich wünsche noch einen schönen Tag!«
Sie stieg mit einem lässigen Schritt über die hölzerne Pfortehinweg. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Klaus Biel ihr nachstarrte. Er machte sich keine Mühe, seine feindseligen Gedanken vor ihr zu verbergen.
20. KAPITEL
A uf dem Weg zum Wagen bemerkte Pia, dass es jetzt richtig schneite. Außerdem war es stürmisch, der Wind wehte die pulvrigen Flöckchen auf dem Asphalt zu weißen Rändern zusammen. Das Mistzeug blieb liegen. Pia seufzte verhalten und stieg in ihren Wagen.
Als sie nach zwei Stunden vergeblicher Arbeit aus Eutin zurückkehrte, hatte bereits eine feine Schneedecke das Land überzogen. Es wurde gar nicht richtig hell und die Straßen waren menschenleer.
Pia hatte mit ein paar Mitschülern von Agnes Kontos gesprochen, außerdem mit Agnes’ Klassenlehrer, der sich zwar sehr besorgt zeigte, aber nichts Hilfreicheres beisteuern konnte, als dass Agnes von Zeit zu Zeit ziemlich abwesend gewirkt hätte. Die Mitschüler zeigten sich verunsichert, zum Teil auch neugierig, aber niemand konnte Pia sagen, wo sich Agnes befinden könnte. Wenig ermutigend war die Einschätzung ihrer Freunde, dass Agnes nicht der Typ war, der einfach abhaute, wenn es Probleme gab. Pia hoffte, dass sie sich irrten.
Auf dem Rückweg schreckte ihr Telefon sie aus ihren bedrückenden Gedanken. Es war ein Kollege aus Eutin, der einen Hinweis zu Agnes Kontos’ Verbleib erhalten hatte. Pia wurde zu einem Ort hinter Grevendorf beordert, der laut Beschreibung zwischen Kindergarten und altem Sportplatz liegen sollte.
Die Entdeckung war ein recht wertvolles Fahrrad, das an einerkleinen Böschung neben dem Fußweg lag. Das Rad befand sich in einem Blätterhaufen aus schwarzem, verrottetem Laub, das mit einer Schneeschicht überdeckt war. Noch war das silbrige Gestell mit der Aufschrift »Scott« gut zu erkennen, aber wenn es weiter so schneite, wäre es in ein paar Stunden unsichtbar. Dass es Agnes gehörte, daran bestanden kaum Zweifel, denn ihre Mutter hatte ihr Fahrrad genau beschrieben. Es war unwahrscheinlich, dass sich viele Jugendliche ein so
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