Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
zerriss.
Wie vor ein paar Tagen waren die Flure leer. Wie Verschwörer schlichen wir auf ihnen entlang, näherten uns dem Trakt, den Peggy bewohnt hatte.
Und dann blieben wir wie angewurzelt stehen. Vor der Tür zu Peggys Zimmer sahen wir zwei Menschen miteinander ringen. Einen Mann und eine Frau. Und diese Frau, es genügten die paar Sekunden um das Gesicht zu erkennen, war Miriam!
»Miriam!«, schrie Kendal grell und stürmte davon. Der Mann, dessen Gesicht ich nicht hatte sehen können, zerrte die Frau zurück in den Raum. Als wir keuchenden Atems an der Tür ankamen, rüttelte Kendal wie irrsinnig an der Klinke. Die Tür war versperrt.
»Miriam!«, brüllte er wieder, stieß und trat gegen die Tür. Das rief begreiflicherweise Personal auf den Plan. Etliche Leute schwirrten auf dem Flur herum. Irgendwann gelang es jemandem, die Tür einzutreten. Die Räume waren leer. Die Lichter ausgeschaltet.
»Oh, Ken«, flüsterte ich. »Da ist etwas geschehen. Sollten wir nicht die Polizei ...?«
»Und dann geschah etwas, das uns beiden einen regerechten Schock versetzte. Miriam kam von der anderen Seite her über den Flur. Von der Seite her, über die auch wir gekommen waren.
»Was ist los?«, wollte sie wissen. Wir starrten sie an. Sie sah aus wie immer.
»Was hattest du vor ein paar Minuten hier zu tun?«, herrschte Ken sie an. »Was soll eigentlich das Theater, Miriam?«
»Ich verstehe nicht ...«
»Oh, du verstehst sehr gut. War das dein - Liebhaber?«
»Du bist doch verrückt!« Sie riss sich los.
»Hier war eben noch eine Frau, die dir aufs Haar glich«, sagte ich, darum bemüht, die Situation zu retten. »Wir mussten annehmen, es würde sich um dich handeln.«
Für Sekunden, so kam es mir vor, schien sie die Fassung zu verlieren. Ihr Gesicht wurde bleich. Aber ganz jäh fing sie sich.
»Ihr glaubt doch nicht an Gespenster?«, fragte sie dann.
»Was ist hier eigentlich los?«, fragte Kendal mühsam beherrscht.
»Ich weiß es nicht, Ken«, antwortete Miriam. Sie war so ruhig, so beherrscht. Ich glaubte, sie belog uns. Vielleicht hatte sie wirklich einen Liebhaber? Aber die Sache mit London? Ungereimtheiten. »Ich war jedenfalls in der Bibliothek. Eliza hatte mir vor einigen Minuten Tee gebracht. Ihr könnt sie fragen.«
»Haben wir einen Geist gesehen? Peggys Geist?«, fragte Kendal.
»Lächerlich«, erwiderte Miriam. »Wer weiß, wer diese Frau war? Man sollte diesen Trakt bewachen lassen oder - noch besser - wie ich früher riet, eine Alarmanlage einbauen lassen.«
»Das hattest du nie geraten. Das hatte Peggy getan!«
»Ach ja? Dann war es halt Peggy. Ich weiß es nicht mehr.«
Kendal ging ganz nahe an sie heran. Seine Blicke forschten in ihrem Gesicht.
»Vielleicht sollten wir die Polizei rufen«, meinte Miriam. »Ich bekam heute einen anonymen Anruf. Eigentlich wollte ich das nicht sagen.«
»Ach?«, fragte ich überrascht.
»Ich solle mich in acht nehmen. Die Toten kämen zurück. Das ist doch Blödsinn, oder?« Ihr Lachen klang gekünstelt und, wie mir schien, war es von Furcht erfüllt. Verbarg sie etwas, oder fühlte sie sich selbst bedroht? Es war in diesen Augenblicken nicht zu ergründen.
»Vielleicht erlaubt sich wer einen Scherz, um uns wirklich durcheinander zu bringen?«, vermutete Kendal. »Vielleicht dieser ...«
»Hornsbury meinst du?«, fragte Miriam. »Das könnte ich für möglich halten. Vielleicht war er darüber ungehalten, dass ich ihm das Geld zurückgeschickt hatte.«
»Welches Geld?«, fragte Ken.
»Das Geld, das ihm Peggy gegeben hatte. Er hat es mir, sozusagen als Erbin überwiesen. Ich wollte das nicht. Jetzt ist dieser Mensch beleidigt. Man sollte ihm sagen, dass diese dummen Späße nichts bringen. Soll er das Geld behalten. Es erweckt Peggy nicht mehr zum Leben.«
Kendal schüttelte den Kopf.
»Ich dreh' ihm den Hals um«, zischte er böse.
Ich fragte mich, ob Ronald Hornsbury tatsächlich etwas mit der Sache zu tun hatte. Doch hielt ich ihn für einen intelligenten Menschen. Zu welchem Zweck sollte er eine solch billige Komödie inszenieren?
Wir kamen überein, einem Scherz aufgesessen zu sein, zogen uns in den großen Salon zurück und versuchten dort, das Ereignis mit Plaudereien zu übertünchen. Es gelang uns allen nur sehr mäßig. Es herrschte eine Spannung zwischen uns dreien, die sich schwer beschreiben lässt.
Von meinem Erlebnis in der Gruft hatte ich noch nicht berichtet. Ich war mir nicht sicher, ob es in Zusammenhang mit dem vorhin
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