Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
meinte er dann. »Natürlich hatte Peggy so ihre kleinen Geheimnisse. Welche Frau hat die nicht? Zum Beispiel fuhr sie jeden Monat einmal weg, blieb eine Nacht fort und kehrte dann, wie mir vorkam, immer verändert zurück. Erst nach ein paar Tagen war sie wieder die alte Peggy.«
»Und wohin fuhr sie?«
Ronald zuckte die Schultern. »Keine Ahnung«, sagte er.
»Ein heimlicher Liebhaber vielleicht?«, wagte ich zu vermuten.
»Daraus hätte Peggy kein Geheimnis gemacht«, wies Hornsbury ab. »In diesem Punkt war sie schamlos offen. Es hat ein paarmal Affären gegeben. Peggy hat sie niemals verschwiegen. Es lag an mir, das zu akzeptieren oder es nicht zu tun.«
»Aber sie hatte offensichtlich ein Geheimnis?«, fragte ich.
»Wenn man so will - ja«, gab er zögernd zu. »Ich habe ihm nie eine nennenswerte Bedeutung beigemessen.«
Die Wirtin kam mit dem liebevoll angerichteten Essen. Es schmeckte köstlich. Auch das Dessert war eine Spezialität dieser Gegend und wirklich gekonnt zubereitet.
»Letztlich gab es hier eine Aufregung«, berichtete die Wirtin. »Aus Saint James ist so 'ne Irre weggelaufen. Man hat die ganze Gegend nach ihr abgesucht. Also, eine Aufregung war das!«
Ronald erklärte mir, dass es sich bei diesem St. James um ein abgelegenes Sanatorium handelte. Dort waren Personen untergebracht, die zwar nicht gefährlich, doch aber unheilbar psychisch krank waren.
»Auch die alte Mrs. Colliman war hier und hat nach der Irren gesucht ...«
»Moment mal!« unterbrach Ronald. Dann sah er mich an. »Diese Mrs. Colliman!«
»Was ist mit ihr?«, fragte ich gespannt.
»Die Beschreibung, die Sie mir von der Alten aus der Gruft gegeben haben, würde auf diese Frau passen. Sie ist weithin als sehr sonderbar bekannt, nimmt aber im Sanatorium eine besondere Stellung ein. Niemand ist sich darüber genau klar geworden.«
»Und Sie meinen, sie könnte etwas damit zu tun haben?«
»Das weiß ich natürlich nicht«, sagte Ronald. »Wir sollten uns aber mal darum kümmern.«
Ich lachte. »Sie meinen, wir sollten so einfach in diesem Sanatorium aufkreuzen und dieser seltsamen Frau Fragen stellen? Welche Begründung sollten wir angeben. Finden Sie diesen Vorschlag nicht ein bisschen lächerlich?«
Er blickte mich etwas zerknirscht an.
»Sie haben recht. Es wäre ein blödsinniges Unterfangen.«
»Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sie irgendwie zu Gesicht zu bekommen? Dann wüsste ich zumindest, ob sie es tatsächlich gewesen war, die mir in der Gruft begegnet ist. Dazu würde ich mir schon etwas einfallen lassen. Frauen sollen ja erfinderisch sein.«
Mein letzter Satz ließ ihn die Mundwinkel etwas spöttisch verziehen. Das ließ ihn mir augenblicklich nicht sehr sympathisch erscheinen und rief meine Abwehr hervor.
»Die größten Erfindungen kamen von Männern!«, warf er mir hin.
»Und die berühmtesten Intrigantinnen waren Frauen«, konterte ich scharf. Dass er mir so wenig zutraute, enttäuschte mich. Daher beschloss ich spontan, etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Was sollte mir denn schon passieren?
Richtige Harmonie kam leider nicht mehr auf. Mein und sein Lachen wirkten aufgesetzt. Beide waren wir nicht bereit zuzugeben, dass wir in gewisser Hinsicht ein Kriegsbeil ausgegraben, hatten und es dummerweise nicht mehr einbuddeln wollten. Wir waren eben beide sture Köpfe.
Es fiel mir nicht sehr schwer, die genaue Lage dieses mysteriösen Sanatoriums ausfindig zu machen. Das Personal war in dieser Hinsicht recht geschwätzig. Natürlich verschwieg ich Miriam und Ken gegenüber mein Vorhaben. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt ja auch noch gar nicht, ob es mir etwas bringen würde.
Bereits am folgenden Tag machte ich mich auf den Weg. Miriam war nach Shanton zum Einkaufen gefahren; Kendal befand sich im Büro; die Kinder in der Obhut von Miss Baxter. Somit hatte ich freie Bahn.
In meinem Wagen machte ich mich auf den Weg. St. James lag wirklich dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht wünschten. Das lag wahrscheinlich daran, dass sich die Bevölkerung ein solches Haus in unmittelbarer Nähe von Siedlungen nicht wünschte. Niemand wollte wohl direkt neben einem sogenannten Irrenhaus wohnen.
Die Zufahrt bewies mir, dass dort kein reger Besucherverkehr herrschte. Sie war schmal und schlecht gewartet. Die Teerdecke wies Schlaglöcher auf. Ich musste höllisch aufpassen und fürchtete um meine schon etwas ramponierten Stoßdämpfer. Rechts und links dehnte sich gefährliches, unwirtliches Moor aus.
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