Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
wollten sich zu Ihrem letzten Lohn noch eine kleine Draufgabe holen, nicht wahr?«
»Ich - ich bin keine Diebin, Miss Kate«, verteidigte sich die kleine Frau flüsternd. »Machen Sie bitte das Licht aus. Ich flehe Sie an. Ich werde Ihnen alles erklären.«
Tatsächlich klang ihre Stimme so beschwörend, dass ich einfach gehorchen musste. Also löschte ich das Licht. Ein paar Augenblicke war nur unser beider Atem zu hören.
»Und?«, fragte ich.
»Ich suchte nach einer Urkunde«, gestand Milly krächzend.
»Nach welcher Urkunde?«
»Eine Geburtsurkunde und eine Sterbeurkunde.«
»Die von Peggy?«
»Nein«, flüsterte Milly. »Nicht ihre, sondern die von ...«
Dann hörten wir Stimmen, die sich über den Flur näherten. Ich sah in Millys erschrockene Augen. Die kleine Frau wirkte jetzt wie ein gehetztes Tier.
»Ich kann jetzt nicht mehr reden«, keuchte sie. »Vertrauen Sie mir. Kommen Sie morgen zum James-Sanatorium. Ich werde um vier Uhr im Park auf Sie warten. Und verraten Sie mich nicht. Davon hängt alles ab.«
Ich kam nicht mehr dazu, sie zu fragen, was davon abhinge. Denn plötzlich war sie weg. Sie verschwand im Nebenraum.
In diesem Augenblick flammte das Licht auf. Ich erkannte Miriam und Kendal.
»Was tust du hier?«, fragte Miriam scharf. »Wonach suchst du?«
»Vermutlich nach den gleichen Dingen wie ihr«, sagte ich und versuchte gelassen zu wirken. »Ich sah Licht hier, und das ließ mir keine Ruhe. Ich glaubte, es handelte sich wieder um einen dieser dummen Scherze.«
»Unsinn!«, stieß Miriam hervor. Sie ging auf den kleinen Schreibtisch zu. Milly hatte wohl vergessen, eine Lade vollständig zu schließen.
»Du hast hier herumgeschnüffelt. Also! Was hast du gesucht?«
»Miriam, mach doch bitte kein Theater«, mischte sich Kendal ein.
»Ich habe Stimmen gehört«, sagte Miriam schrill. Ihre Augen blitzten. »Kate hat mit jemandem gesprochen.«
»Vielleicht mit dem Geist, der möglicherweise hier war«, entgegnete ich fast frech. Ich sah, wie Miriams Gesicht blass wurde.
»Lass diese Dummheiten«, gebot sie schroff. »Man sollte wirklich eine Alarmanlage installieren, wie ich es schon immer angeregt hatte.«
»Nicht du, deine Schwester«, verbesserte Kendal.
»Dann eben sie«, sagte Miriam gereizt. »Seit Kate hier ist, passieren diese beunruhigenden Dinge.«
Ich lächelte. »Du glaubst also, ich würde Gespenster anziehen?«, fragte ich.
»Müssen wir mitten in der Nacht über so unsinnige Sachen diskutieren?«, fragte Kendal sehr ungehalten. »Kate hat Licht gesehen. Sie war besorgt und hat nachgeschaut. Was ist daran so ungewöhnlich, Miriam. Wir sollten ihr dankbar sein, dass sie so aufmerksam war. Immerhin gibt es hier etliche wertvolle Kunstgegenstände, die jemand durchaus hätte stehlen wollen.«
Kendals Argumente waren logisch. Doch dem schien nicht so. Ich hatte den ganz bestimmten Eindruck, dass sie mir nicht mehr über den Weg traute, weil ich möglicherweise ihrem Geheimnis auf der Spur war. Wieder erschreckte mich der Gedanke, einer Mörderin gegenüberzustehen. Wenn sie eine war, dann konnte sie auch mich ...
Ich versuchte, diesen Gedanken wegzuschieben. Aber es wollte mir nicht gelingen. Er haftete so fest in mir, je länger ich in Miriams Gesicht blickte. Fast Hass war das, was ich glaubte, in diesem schönen Gesicht zu entdecken.
In diesem Augenblick hatte ich die ganz bewusste Erkenntnis, dass diese Frau nicht Miriam war. Peggy konnte sie nicht sein. Die lag in der Schlossgruft und war durch die Deformation des Uterus einwandfrei identifiziert worden. Wer war diese Frau an Kendals Seite?
*
Wenn ich Gefahr spüre, werde ich, wie vielleicht jeder Mensch normalerweise, hellwach. Doch ich habe es schon ein paarmal erzählt, dass meine Neugier dann diese Warnlampe ausschaltet. Ich spürte, ich war dicht davor, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Ich musste mit jemandem darüber sprechen, und für mich kam nur Ronald infrage. Ihm vertraute ich noch immer am meisten, obwohl mich bisweilen ein Gefühl beschlich, er könnte doch in diese Sache verwickelt sein. Das gleiche Gefühl hatte ich übrigens bei Kendal auch. Für ihn ging es ja um seine Existenz und um viel Geld. Wäre Miriam tot, bliebe ihm nicht viel. Oder war er Miriams Alleinerbe?
Meine Gedanken irrten umher wie Blätter im Herbst, flogen bald hierhin, bald dorthin, ließen sich nicht festhalten. Daher musste ich mit Milly sprechen, so wie sie mir das angeboten hatte. Doch war ich mir
Weitere Kostenlose Bücher