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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sehen. Kevin öffnete das Fenster zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter. Er zwängte sich hindurch und ließ sich mit den Händen zuerst auf den Boden herunter.
    Er ging unverzüglich zu der Diele unter Leons Bett und hob sie an. Dort lagen genügend Pergamentbriefchen mitStoff, um eine Herde Elefanten flachzulegen, doch Kevin nahm nur eins. Er tauschte es gegen ein anderes, das er präpariert hatte und das nichts Gefährlicheres als Puderzucker enthielt. Irgendein Junkie würde eine herbe Enttäuschung erleben.
    Toofs Gesicht. Die verdrehten, bestürzten Augen. Das Geräusch, als sein Schädel unter dem Holz einbrach. Kevin würde dieses Geräusch nie vergessen. Bei der Erinnerung zitterten ihm derart die Beine, dass er Schwierigkeiten hatte, aus dem Fenster zu klettern. Er ließ sich draußen auf den Boden fallen und hätte sich beinahe den Knöchel gebrochen.
    Hastig rannte er durchs Gebüsch in seine eigene Hütte zurück. Er wollte nicht Leon über den Weg laufen, wenn der gerade von Red Bear zurückkam. Dem neuen Leon. Er wusste, dass es in Leons Vergangenheit Gewalt gegeben hatte, er hatte ein paarmal darauf angespielt. Und er hatte mitangesehen, wie er diesen Kerl im Pub entsetzlich zusammengeschlagen hatte. Doch jetzt war es, als hätte Red Bear ein niederträchtiges Geschöpf zum Leben erweckt, das bis dahin in Leons Brust geschlummert hatte. Das Ungeheuer.
    Kevin rannte den Mücken davon und schloss die Tür seiner eigenen Hütte hinter sich ab. Muss hier raus, ganz entschieden raus. Aber zuerst mal brauch ich ein bisschen Ruhe, muss ich klar sehen, Mann.
    Er zog den Löffel hervor, den er in der Wand versteckt hatte, und kochte die Schore mit seinem Feuerzeug. Er zog seine Spritze mit der milchigen Flüssigkeit auf, und diesmal war klar, wohin damit. Mit geübtem Griff zog er den Gürtel um seinen Bizeps enger, pumpte eine dicke Vene hoch und stieß die Nadel hinein. Als er den Gürtel lockerte, überschwemmte das Heroin sein Gehirn in einem Megatonnen-Orgasmus.
    Ein paar Minuten später versteckte er sein Zubehör und legte sich ins Bett. Er rollte sich ein und steckte die Händezwischen die Knie. Die reine Wonne durchströmte jeden Nerv in seinem Körper. Sein Bauch fühlte sich wie von Opium und geschmolzener Schokolade überflutet.
    »Kevin, kommst du mit?«, sang Terris Stimme in seinen Ohren, und Kevin wünschte sich zum hundertsten Mal, seine Schwester würde heiraten und ihn in Frieden lassen.
    »Kevin, kommst du mit?« Dieser flehentliche Blick in ihren ach so grünen Augen. Er fühlte ihre Liebe und Sorge wie eine Woge, die ihn trug.
    »Ach, Terri«, stöhnte er. »Lass mich in Frieden, okay?« Doch vom Heroin musste er kichern.
    Freudenschauer liefen ihm in trägen Wellen den Rücken herunter. Sein Bewusstsein war wie das durchsichtige Meeresblau der Bahamas. In diesem Himmel war für Angst und Schuldgefühle kein Platz.
    Fast verloren in diesem blauen Ozean erschien eine winzige dunkle Gestalt wie ein Insekt, das über einen Fernsehbildschirm krabbelt. Doch es war ein Mann, ein winziger Mann, der Kevin wie vom falschen Ende eines Fernrohrs aus zuwinkte.
    Kevin lächelte. Gute Neuigkeiten, der Kerl brachte gute Neuigkeiten. Auch wenn er die Worte nicht ganz verstand, wusste er, dass es gute Neuigkeiten waren.
    Der winzige Mann rief ihm etwas zu. Winkte und rief aus der blauen Ferne. Es kam ihm so vor, als wäre dieser Winzling ein Gestrandeter und Kevin ein vorüberfliegender Düsenjet. Auch wenn er das Gesicht nicht erkennen konnte, wusste er, es war Toof.
    Toof rief ihn aus der blauen Unermesslichkeit. Toof sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen. Es sei gar nicht so schlimm, tot zu sein. Eigentlich ganz okay. Kein Grund zur Sorge, Kevin. Kein Grund, sich aufzuregen. Dem alten Toof ging’s ganz gut, Mann. Alles war gut.

23
     
    B ist du sicher, dass er tot ist?«, fragte Red Bear. »Ich kann keine Überraschungen brauchen.«
    »Er ist mausetot.« Leon drehte die Stereoanlage ein bisschen lauter, ein Marantz, Top-Modell. Und REM, oh Mann, Erfahrung zählte eben ’ne Menge. Diese alten Bands waren nicht zu schlagen. »Musste ihm allerdings am Ende noch einen mit dem Baseballschläger überziehen.«
    »Und? Kannst du damit leben?«
    »Sicher. Kein Problem.« Leon zuckte die Achseln. »Bei dem Mädchen war’s noch ein bisschen schwieriger. Ich gewöhn mich dran.«
    »Und diesmal hast du es woanders gemacht, will ich hoffen. Du bist doch nicht wieder zum Wasserfall zurück?«
    »Nee. Wir

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