Kalter Schlaf - Roman
bereitwillig zu eigen machte.
Als Kate nach vorn ging, um an der weißen Wandtafel stehend zu sprechen, fiel ihr eine Szene ein, die sie letztes Jahr beobachtet hatte. Joe hatte mit Maisie im Garten Baseball trainiert. Maisie war wütend geworden, weil sie den Ball viel öfter verfehlte, als ihn zu treffen. Bis sie, von Joe geduldig ermutigt, schließlich den Bogen heraushatte. Kate glaubte, wieder Maisies jubelnde Stimme zu hören.
»Jetzt hab ich ’nen großartigen Schlag, nicht wahr, Joe?«
»Und wie, Rotschopf! Damit darf sich niemand anlegen.«
Ihr Blick glitt über die vor ihr sitzenden Polizeibeamten.
Ich habe schon vor schwierigeren Zuhörern gesprochen. Und ich habe einen großartigen Schlag.
»Sexuelles Begehren. Vergnügen. Ausgelebte Fantasien. Befriedigung.«
Bei diesen Worten wirkten manche überrascht, andere interessiert. Wieder andere sackten verlegen auf ihren Stühlen zusammen.
»Das sind die Elemente, die Stalking ausmachen.«
Kate wandte sich ab, griff nach einem Marker, schrieb einige Worte an die Tafel und drehte sich wieder um.
»Betrachten wir also rasch die verschiedenen Typen von Stalkern. Wer weiß, was sie umtreibt, kann sie schneller identifizieren.«
Sie deutete auf die Tafel. »Ist er der abgewiesene Typ, der früher eine Beziehung mit dem Opfer hatte? Ist er jemand mit starkem Drang nach Intimität, um seine Einsamkeitsgefühle zu bekämpfen? Oder ist er sozial inkompetent? Jemand, dessen Bemühungen, intime Beziehungen herzustellen, durch seine Unfähigkeit, normale Konversation zu machen, blockiert werden? Diesen Typ kennen Sie alle – er weiß nicht, wie man mit Frauen redet, schreckt sie eher ab.«
Einige ihrer Zuhörer grinsten, und ein paar sahen zu einem stämmigen Beamten hinüber, der sich umschaute, als er merkte, dass ihre Aufmerksamkeit ihm galt.
»Hey!« Er runzelte die Stirn, dann grinste er ebenfalls.
»Andererseits könnte der Stalker ein nachtragender Typ sein. Jemand, der in der Vergangenheit von dem Opfer gekränkt oder geärgert worden ist, was er sich vielleicht nur einbildet, und die Frau nun aus Rache verfolgt, um sich dafür zu revanchieren.«
Kate begegnete den Blicken ihrer Zuhörer. »Der abgewiesene oder nachtragende Typus eines Stalkers ist relativ leicht zu identifizieren, weil es im Allgemeinen eine frühere Beziehung zwischen ihm und dem Opfer gibt.« Ein kurzer Blick zur Tafel. »Die Intimität Suchenden und Inkompetenten sind nicht so leicht aufzuspüren.«
Sie sprach absichtlich leiser. »Und wir sind noch nicht einmal bei dem fünften Typus angelangt.«
In dem Raum herrschte gespanntes Schweigen. Alle hatten nur noch Augen für Kate. Sie hatte sie in der Hand.
»Die Fälle, die wir gegenwärtig bearbeiten, betreffen den fünften Typus. Den beutegierigen Stalker, von dem Folgendes zu erwarten ist: mehrere Opfer; null Interesse an Intimität, wie die meisten Leute sie definieren würden; ganz sicher nicht sozial inkompetent; keine frühere Beziehung zu seinen Opfern.« Sie machte eine kurze Pause, bis alle das Gesagte verarbeitet hatten.
»Was er dagegen hat, ist eine problematische Persönlichkeit. Wahrscheinlich ist er ein Psychopath, das heißt, er besitzt die Fähigkeit, im persönlichen Umgang gewinnend, sogar charmant zu sein, ist aber nur auf sich selbst zentriert und außerstande, etwas für andere zu empfinden. Außerdem ist er wahrscheinlich intelligenter als die bereits erwähnten Stalker.« Wieder eine Pause.
»Das Hauptmerkmal eines Stalkings durch den beutegierigen Typ ist die Tatsache, dass es immer auf Vernichtung abzielt. Er verfolgt und beobachtet, weil er einen Plan hat. Er neigt am wenigsten dazu, seine Anwesenheit bekannt zu machen, obwohl sie unter Umständen subtil spürbar sein kann. Seine Stalking-Periode ist die kürzeste von allen, im Durchschnitt etwa sechs Monate. Der beutegierige Stalker sammelt Informationen, indem er beobachtet, Möglichkeiten durchspielt, sich Erlebnisse ausmalt. Sein Ziel: Macht und Vernichtung.«
»Ich dachte, er hätte es auf Sex abgesehen?«, sagte jemand in den hinteren Reihen.
Kate schüttelte den Kopf. »Er ist ein sexueller Sadist. Das wissen wir aus den Spuren an der Umgehungsstraße und in Romsley. Für diesen Sadisten ist Sex nur ein Mittel, um zu erreichen, was er haben muss: die Beherrschung, die totale Unterwerfung seines Opfers.«
Die Spannung in dem Raum war fast mit Händen greifbar, als Kate die Persönlichkeitsmerkmale an ihren Fingern abzählte.
»Sehr
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