Kalter Schlaf - Roman
in der Rose Road an Gerüchten über Furmans Führungsstil gehört hatte. Ihr fielen einige Leute ein, die ihm liebend gern »einen Knüppel zwischen die Beine geworfen« hätten, wie Bernie es ausgedrückt hätte. Vielleicht hatten sie es getan. Waren die verlegten oder verschwundenen Unterlagen das Ergebnis eines Streichs, den Kollegen dem unbeliebten Furman gespielt hatten?
Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie hob ruckartig den Kopf, als einzelne Punkte sich aus den Informationsbündeln herauslösten und klar zu erkennen waren.
Das kann nicht sein.
Das ist Wahnsinn!
Furman ist Polizeibeamter. Er kann nicht …
Sie stellte sich Bernies Reaktion vor, wenn sie nächstes Mal im KUF -Büro über das sprach, was sie dachte. Bevor sie ihren Verdacht äußern durfte, musste sie noch gründlich recherchieren.
61
Kate war in ihrem Büro in der Universität, als der Anruf kam.
»Hanson.«
»Hallo, Doktor.«
Kate runzelte die Stirn, dann sagte sie: »Hi.« Sie merkte plötzlich, dass sie Constable Whittakers Vornamen nicht wusste.
»Chief Superintendent Gander hat mich gebeten, Sie anzurufen und zu fragen, ob Sie heute in die Rose Road kommen.«
»Ja. Gegen zwei Uhr.«
»Bleiben Sie bitte dran, Doktor.« Whittacker hielt seine Sprechmuschel zu, dann meldete er sich wieder.
»Zwei Uhr wäre gut. Der Chief Superintendent möchte Sie dann sprechen.«
Kate legte auf und fragte sich, was dort im Gange war.
Gander saß mit strenger Miene an seinem Schreibtisch, als Kate in sein Dienstzimmer kam. Er bot ihr mit einer Handbewegung einen Stuhl an.
»Ich komme gerade von Jody Westbrookes Eltern zurück. Habe versucht, ihnen zu versichern, dass wir diesem … diesem Wahnsinn ein Ende machen werden.« Er schüttelte den Kopf, dann musterte er Kate prüfend.
»Von Lieutenant Corrigan und Detective Sergeant Watts höre ich, dass diese Bestie Ihrer Überzeugung nach die jungen Frauen beobachtet, bevor er sie ermordet?«
Kate nickte. »Er ist ein Stalker, ja.«
Gander stemmte sich aus dem Schreibtischsessel hoch, trat schwerfällig ans Fenster und sah hinaus. Den Rücken Kate zugekehrt, sprach er weiter.
»Als ich zur Polizei gegangen bin, hat es solche Dinge – solche Palaver – nie gegeben, wissen Sie. Wir hatten hauptsächlich mit gewöhnlichen Straftaten zu tun. Einbrüche, gelegentlich ein Bankraub, häusliche Gewalt … Ja, auch Morde, aber keine … perversen Aktivitäten dieser Art.«
Doch, die hattet ihr. Sie sind nur nicht als solche erkannt worden.
Kate saß schweigend da. Wartete.
Gander drehte sich zu ihr um, sah plötzlich müde aus. »Heutzutage muss jeder Polizeibeamte ein Alleskönner sein: ›Freund und Helfer‹ der Bürger, Sozialarbeiter, Diplomat …« Er nahm wieder Platz. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Kate. Das alles müssen meine Leute sein, wenn’s nötig ist.« Er schüttelte den Kopf. »Aber jetzt sollen sie auch noch Psychologen sein und verstehen, was im Kopf dieses … dieser Bestie vor sich geht!«
Gander faltete die Hände. Kate wartete schweigend.
»Sie sind den ganzen Nachmittag hier?« Kate nickte. »Ich will Sie um etwas bitten. Ich möchte, dass Sie einen Vortrag vor allen halten, die heute Nachmittag Dienst haben. Erzählen Sie ihnen etwas über Stalker und Stalking – Sie wissen schon, was für Leute das sind, warum sie’s tun, wie man sie erkennt und so weiter. Helfen Sie ihnen zu verstehen, wie dieser Täter funktioniert.« Er musterte sie prüfend. »Können Sie das tun?«
»Das kann ich«, sagte Kate rasch, während sie sich Ganders Wunsch durch den Kopf gehen ließ.
»Also gut. Sagen wir … drei Uhr? Eine halbe Stunde sollte genügen.«
»Ja«, sagte Kate.
Gander wirkte zufrieden und erleichtert zugleich. »Gut, gut. Das wird ihnen helfen, gezielt nach … wer immer der Kerl ist … zu fahnden. Verstehen sie ihn, erkennen sie ihn leichter, wenn sie ihn haben.« Er stand auf, und Kate folgte seinem Beispiel.
»Vielen Dank, Kate. Ich weiß Ihre Bereitschaft zu schätzen – vor allem so kurzfristig.«
Eine Dreiviertelstunde später betrat Kate die riesige Einsatzzentrale, in der mindestens dreißig Polizeibeamte, hauptsächlich Männer, sie auf Anweisung Ganders erwarteten. Ein einziger Blick in den plötzlich stillen Raum, auf die verschränkten Arme und verschlossenen Gesichter sagte ihr alles, was sie wissen musste. Die West Midlands Police war nicht dafür bekannt, dass sie sich Psychologie und ihre Theorien – vor allem auf sexuellem Gebiet –
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