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Kalter Schlaf - Roman

Kalter Schlaf - Roman

Titel: Kalter Schlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A J Cross
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zurück. Kate trat ein und schloss die Tür, wodurch die Stille in dem Haus noch bedrückender zu werden schien. Sie folgte dem langen Flur in eine helle, geräumige Küche, in der es wegen der geschlossenen Fenster drückend heiß war. Dianne saß am Küchentisch. Kate vermutete, dass sie auch schon dort gesessen hatte, bevor sie geklingelt hatte. Sie sah den Aschenbecher und roch erst jetzt Zigarettenrauch. Kein Buch, keine Illustrierte. Kein Radio. Dianne saß einfach nur da und rauchte.
    Kate stellte sich kurz vor und nahm dankend den angebotenen Tee an. Kate setzte sich, sah sich in der Küche um. Ein behaglicher Raum in Gelb- und Orangetönen mit blassgrünen Applikationen, die den blühenden Garten ins Haus zu holen schienen. Dann konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die starre Gestalt.
    Wer kümmerte sich um Haus und Garten? Doch bestimmt nicht diese Frau? Bernie hatte gesagt, es gebe keinen Mr. James …
    »Kekse?«
    »Nein, danke.« Das Schweigen war bedrückend. »Ihre Küche ist sehr hübsch. Mir gefallen die Farben und …«
    Dianne James kam mit Teetassen an den Tisch zurück. »Ich habe sie selbst eingerichtet. Ich habe mich als Innenarchitektin versucht, aber nie sehr intensiv. Nur für Leute, die ich kannte …« Sie stellte die Tassen auf den Tisch und sah sich kritisch in ihrer Küche um, als sehe sie sie zum ersten Mal. »Sie müsste mal wieder gestrichen werden. Ich war damit fertig, kurz bevor Molly verschwunden ist.«
    Die Worte hingen schwer in der Luft. Kate spürte, wie ihre Nackenmuskeln sich verkrampften. Bei allem Mitgefühl wollte sie möglichst rasch von dieser Frau und dem Kummer, den sie ausstrahlte, wegkommen.
    »Mrs. James? Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich mir Mollys Zimmer mal ansehe?«, fragte sie ruhig.
    »Können Sie gern. Erste Tür links.« Keine Frage nach dem Grund.
    Kate stand auf, ging durch den Flur, stieg die breite Treppe hinauf und öffnete langsam die Tür von Molly James’ Zimmer, wobei sie sich wie eine Einbrecherin vorkam. Das Notizbuch und den Bleistift aus ihrer Umhängetasche in der Hand trat sie lautlos über die Schwelle.
    Im Zimmer war es stickig, aber alles war makellos sauber. Keine Spur von Staub. Alles ordentlich aufgeräumt, als könnte die Besitzerin jeden Augenblick zurückkehren. Plüschtiere auf einem Regal, das verschnörkelte weiße Eisenbett mit einer rosa-weißen Tagesdecke aus einem gazeartigen Material bedeckt. Mehrere gerahmte Mädchenfotos. Auf allen erkannte Kate Molly: sanftes, ovales Gesicht, von blondem Haar eingerahmt, das schulterlang herabhing oder im Nacken zusammengefasst war. Ein weiteres Foto interessierte sie so sehr, dass sie davor in die Hocke ging. Jünger, ja, aber unverkennbar der Mann, dessen Foto sie erst vor Kurzem gesehen hatte. Bewahrten alle Teenager Fotos ihrer Exfreunde auf?
    Sie stellte sich ihr eigenes Haus vor. Mit zwei Fotos von Kevin. Eines im Wohnzimmer, wo sie es vor Jahren auf den Kaminsims gestellt hatte, um Maisie zu versichern, ihr Vater bleibe selbst nach der Scheidung ein wichtiges Mitglied der Familie. Und ein weiteres, das Maisie sich erbeten hatte, um es auf ihren Nachttisch zu stellen. Was Kate missfallen hatte, auch wenn sie das niemals zugegeben hätte.
    Kate richtete sich auf und trat an den kleinen Schreibtisch mit dem rührend altmodischen Computer. Ohne etwas anzufassen, beugte sie sich über etwas, das eine Seminararbeit Mollys zu sein schien. Mehrere Blätter lagen so übereinander, dass Mollys wunderbar gleichmäßige Schrift mehrfach zu lesen war.
    Zorn über das Vergehen des Lichts, las sie – und erkannte Dylan Thomas. Ein Essay »Die Rolle des Schäfers bei Vergil«. Auf einem weiteren Blatt stand eine hastig hingekritzelte Notiz. Kate hob einige Blätter mit ihrem Stift hoch, um den Text lesen zu können: Hi, Mol. Geh mal hin und sieh dir an, was im Angebot ist. J. Kein Datum, keine Unterschrift. Sie kopierte den Text in ihr Notizbuch.
    Sie betrachtete die Wände von Mollys Zimmer, begutachtete die gedruckten Poster und eigenen Entwürfe. So bekam sie eine Vorstellung von der jungen Frau, die bis zu ihrem letzten Tag hier gearbeitet und geträumt hatte. Berücksichtigte man die spärlichen Informationen, die Dianne James bisher geliefert hatte, schienen Mutter und Tochter kreative Interessen gemeinsam gehabt zu haben. Kate betrachtete den kleinen Toilettentisch, die Kosmetikartikel, den Lockenstab und erinnerte sich an Molly James, die in der Rose Road in der

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