Kalter Schlaf - Roman
ein Rascheln, dann war er wieder am Apparat.
»Sie erinnern sich, dass ich Ihnen erzählte, dass ich nur die Models fotografiert habe? Nun, das stimmt, aber ich habe anscheinend etwas mehr aufs Bild bekommen. Ich weiß nicht, ob Sie beschäftigt sind, aber ich rufe aus der Harborne High Street an. Ich mache dort ein paar Werbeaufnahmen für Doctors.«
Kate nickte, sie kannte diese in Birmingham spielende Seifenoper, die vom Lokalkolorit lebte.
Brannigan fuhr fort: »Ich kann gern in der Rose Road vorbeischauen und Ihnen meine Fundstücke bringen.«
Aber Kate griff bereits nach ihrer Tasche. »Danke, ich komme sofort zu Ihnen, Mr. Brannigan. In zehn Minuten im Café Rouge?« Sie legte den Hörer auf und schrieb eine kurze Notiz für ihre Kollegen.
Zehn Minuten später saß Kate an einem Fenstertisch in dem kleinen Café in der High Street, schlürfte einen Americano und beobachtete eine kleine Menschengruppe auf der anderen Straßenseite. Sie konnte eine Schulterkamera und ein mit Kunstpelz überzogenes Mikrofon sehen, die auf zwei Schauspieler mit Sonnenbankbräune gerichtet waren, die plaudernd vorbeischlenderten. Kate sah zu, wie die kleine Szene zweimal wiederholt wurde. Solche Außenaufnahmen erregten hier kein Aufsehen mehr. Sie waren oft nur lästig.
Sie erschrak, als der Stuhl ihr gegenüber sich plötzlich bewegte, und schaute rasch auf. Dort stand Brannigan. Sie hatte ihn nicht hereinkommen sehen. Er setzte sich zu ihr: ein gut aussehender Mann in einem Jeanshemd und mit einer Sonnenbrille in seinem dichten Haar. Dann warf er schwungvoll einen dünnen Ordner auf die Tischplatte.
»Nach Ihrem Besuch habe ich ein bisschen in meinem Archiv gekramt. Ich weiß nicht, ob diese Bilder Ihnen nützen können, aber ich glaube, das könnte sie sein – das Mädchen, das verschwunden ist –, obwohl sie anders aussieht, als Sie sie mir geschildert haben. Hier, sehen Sie selbst. Sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
Kate spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte, als sie nach dem Ordner griff und ihn aufschlug. Er enthielt drei Vergrößerungen in Klarsichthüllen. Zwei von ihnen waren sehr scharf. Nachdem Kate sie einige Sekunden lang betrachtet hatte, wusste sie, was von ihnen zu halten war. Sie verstand auch Brannigans Zweifel.
Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, während sie im Nachmittagsverkehr unterwegs war. Johann Pachelbels Kanon lief mehrmals, bevor sie ihr Ziel erreichte. Sie parkte vor dem modernen Gebäude aus Stahl und Glas, stellte den Motor ab, zog ihr Handy heraus und wählte eine Nummer, die sie von der Auskunft bekommen und im Adressbuch gespeichert hatte. Eine Männerstimme meldete sich. Kate kam sofort zur Sache.
»Hier ist Dr. Hanson vom Department für ungelöste Fälle, West Midlands Police. Ich muss Sie sofort sprechen. Ich habe etwas, das Sie sich ansehen sollten.«
Zwei Minuten später stand sie am Empfang, und nachdem die Blondine kurz telefoniert hatte, erschien er gelassen und kam freundlich lächelnd auf sie zu.
»Hallo, Dr. Hanson! Freut mich, Sie zu sehen. Kommen Sie bitte mit in mein Büro. Dort sind wir ungestört.«
Sie folgte ihm und registrierte dabei die strahlend weißen Zähne, den eleganten Geschäftsanzug und den modischen Haarschnitt. Er führte sie in sein Büro und bot ihr den Besuchersessel vor dem großen Schreibtisch an.
»Ich hatte damit gerechnet, in die Rose Road vorgeladen zu werden.«
Ohne etwas zu sagen – oder ihn aus den Augen zu lassen –, schlug Kate den Ordner auf, zog langsam zwei der Fotos heraus und legte sie vor ihm hin. Sein Blick ging von einem zum anderen, dann zu Kate hinüber, dann wieder zu den Fotos, während zwischen seinen Augenbrauen eine kleine senkrechte Falte erschien.
Sie wartete. Er äußerte sich nicht dazu.
Kate beugte sich nach vorn und zeigte auf die Vergrößerungen. »Diese Fotos zeigen Molly James. Sie wurden am Tag ihres Verschwindens aufgenommen. Wir wissen, dass es dieser Tag war, weil die Aufnahmen von dem für die Modenschau an genau diesem Datum engagierten Fotografen stammen. Beide Fotos zeigen den Laufsteg, aber Molly ist ebenfalls gut getroffen. Finden Sie nicht auch?«
Er reagierte auch darauf nicht, obwohl Kate fast hören konnte, wie sein Gehirn arbeitete.
»Vor allem auf diesem.« Sie tippte auf ein Foto, auf dem Molly sich ihrem ebenfalls deutlich erkennbaren Begleiter zuwandte. Kate zählte stumm bis dreißig. Ihr Gegenüber schwieg weiter.
»Möchten Sie sich nicht dazu äußern?«
Er war in der
Weitere Kostenlose Bücher