Kalter Schlaf - Roman
zusammen.
Joe sah zu ihm hinüber. »Hätten wir den Schwachkopf Furman vor sich selbst retten sollen, Jules?«
Julian zuckte mit den Schultern und schwieg hartnäckig.
Bernie musterte ihn, dann wandte er sich an Kate. »Was hat er eigentlich?« Er sprach weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten: »Erfüllt jemand auf unserer Liste wenigstens andeutungsweise die Kriterien, die du aufgestellt hast?«
Sie nickte widerstrebend. »Cranham.«
»Also könnte eine gründliche Vernehmung seine wahre Persönlichkeit zum Vorschein bringen?«
»Möglicherweise«, sagte Kate, die an Cranhams Arroganz und sein anscheinend schwach entwickeltes Mitgefühl dachte. »Aber eine problematische Persönlichkeit ist nicht schon Beweis genug, nicht wahr? Ich schlage vor, keine allzu verfrühten Vermutungen anzustellen und nicht voreilig Ermittlungsziele festzulegen. Wir sollten nach allen Richtungen ermitteln und abwarten, ob sich dabei etwas ergibt, aus dem handfeste Beweise werden könnten.«
Kate sah ihre Kollegen an und wiederholte ihre Argumente. »Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass unser Täter auch schon früher Straftaten verübt hat. Träfe das zu, könnten wir daraus wertvolle Informationen gewinnen, wie Joe gesagt hat. Und mit dem Leben davongekommene Opfer wären wertvolle Zeugen.«
Sie wandte sich an den Jüngsten im Raum. »Julian? Versuchen Sie bitte noch mal, ungelöste Fälle von Vergewaltigung zu finden?«
Julian, der immer noch verärgert zu sein schien, wandte sich mürrisch dem PC zu.
Kate war in Gedanken schon beim nächsten Thema, das sie bewegte: Janine Walkers Tagebuch. Sie hatte noch keine Gelegenheit gefunden, mehr als einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen. Jetzt trat sie an den Safe, entriegelte die Tür, nahm das kleinformatige Tagebuch heraus und begann, am Tisch sitzend, darin zu blättern, während Julian seine Recherche lustlos fortsetzte.
Eine Viertelstunde später warf sie Joe einen fragenden Blick zu, als er die Ausdrucke von Julians Suche studierte. Dann ging sie noch mal an den Safe und schloss das Tagebuch wieder ein. Auch wenn Joe von einem potenziellen Risiko gesprochen hatte, stand ihr Entschluss fest. Sie würde Janines Tagebuch nicht nur ganz lesen, sondern es zu diesem Zweck nach Hause mitnehmen. Und sie wollte es jemandem zeigen, von dessen Urteilsvermögen sie viel hielt.
Nachdem Kate die für sie bestimmten Ausdrucke zehn Minuten lang gründlich studiert hatte, wusste sie, dass es in den West Midlands in den fünf Jahren vor der Ermordung von Janine Walker und Molly James nur vier unaufgeklärte Vergewaltigungen gegeben hatte, die den von ihr festgelegten Kriterien entsprachen: Die Opfer waren siebzehn bis einundzwanzig Jahre alt, groß, blond und »gebildet«, was sich durch ein College- oder Universitätsstudium ausdrückte.
Joe sah zu Julian hinüber und machte mit der rechten Hand eine Schreibbewegung. Julian trat an die Glastafel und griff nach dem Markerstift.
»Schreiben Sie nur die Namen und Daten hin, Jules, damit wir sie rasch parat haben«, wies Joe ihn an. »Vier Vergewaltigungsopfer, nämlich Josie Kenton-Smith im Februar 1995, Amélie Dijon im Juni 1996, Suzie Luckman im April 1997 und Tracey Thomas im Dezember 1997. Das sind drei potenzielle Zeuginnen für uns. Hier steht, dass Tracey Thomas im März 1998 bei einem Verkehrsunfall umgekommen ist. Ihr Freund ist wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.«
Kate nickte geistesabwesend. Dann hob sie ruckartig den Kopf. »Augenblick! Einige dieser Namen habe ich schon mal gesehen. Ganz sicher den Ersten – Kenton-Smith.« Sie überlegte einige Sekunden, dann schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. »Unten im Kühlraum! Er steht auf irgendwas in dem Karton, in dem ich Janine Walkers Tagebuch gefunden habe.«
Sie beobachtete Julian, der die Details an die Glastafel schrieb, und überlegte sich, dass ein weiterer Besuch des Kühlraums unumgänglich sei.
Warum speziell diese Schachtel?
Das war doch sicher kein Zufall?
Kate dachte an die bisherigen Schwierigkeiten des Departments, sich ausreichende Informationen über die beiden Entführungsfälle zu beschaffen. Das war nicht normal, selbst wenn man berücksichtigte, dass einer dieser Fälle über ein Jahrzehnt zurücklag.
Sie fühlte sich müde, warf einen Blick auf ihre Uhr und seufzte, weil sie sich wünschte, nach Hause fahren zu können. Aber daran war nicht zu denken. Sie musste spätnachmittags in die
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