Kalter Schmerz
ihn gewähren und setzte mich wieder ans Fußende des Bettes. Ich ging nicht davon aus, dass er Unterstützung brauchte.
Ein paar Mal ließ er die Lötlampe zischen, dann zog er Kyle hoch und hielt sie an sein Auge.
Zusammen mit dem Qualm erreichte mich ein ekelhafter Gestank.
Kyle schlug um sich, Pat hielt ihn fest und ignorierte die Geräusche, die hinter dem Isolierband hervorkamen. Kyles Jeans verfärbte sich dunkel, Urin tröpfelte auf den Boden.
Ich schob mich auf dem Bett etwas weiter zurück.
»Willst du zugucken, Nic?«
»Nee, schon gut.«
Ich hatte dieses Geräusch durchaus öfter gehört, aber es erstaunte mich immer wieder, wie es klang, wenn ein Augapfel regelrecht platzte.
Ich schluckte.
Kyle wurde ohnmächtig und sackte zusammen, Pat ließ ihn zu Boden fallen. Die rechte Augenhöhle war ein schwarzes Loch, aus dem eine feine Blutspur über sein Gesicht rann. Es roch nach verbranntem Fleisch.
»Gefällt mir, dass mein Gesicht das Letzte ist, was dieses Arschloch sehen wird«, sagte Pat, setzte sich neben die bäuchlings daliegende Gestalt auf den Boden und holte eine Schachtel Zigaretten hervor. »Aber er hat sie nicht umgebracht, oder?«
»Technisch gesehen nicht.«
»Rauchen, Nic? Ha, welche Ironie …«
»Ja, bitte.« Ich nahm die Zigarette und nickte in Richtung Kyle. »Er hat geholfen, das Ganze zu vertuschen, die Leiche zu entsorgen. Aber nein, er selbst ist es nicht gewesen.«
»Und er war ihr Freund, ja?« Pat machte eine Geste mit dem Feuerzeug, und ich konnte nicht fassen, wie ruhig er war.
»Ja.«
»Hm.« Erneut griff er zur Lötlampe und hielt die Flamme in Kyles Nacken, bis die Haut Blasen warf. »Ich geb dir schon mal die Hälfte hierfür, wenn du willst, du bist ja jetzt eine Weile an der Sache dran. Die zweite Hälfte, wenn du den anderen Typen gefunden hast. Ist das in Ordnung?«
Seit Längerem hatte ich nicht an das Geld gedacht. »Ja, klar, ist in Ordnung. Mach dir keinen Kopf deswegen.«
»Ich dachte …« Er gönnte Kyles Gesicht eine Rundumbehandlung, und eine faulige Rauchfahne stieg auf, doch er wirkte gelangweilt. »Ich dachte, es würde sich anders anfühlen.«
»Was?« Ich blies den Qualm in Richtung des Schimmels unter der Decke.
»Das hier.« Er schnaubte verächtlich. »He, soll ich das andere Auge auch zum Platzen bringen und gucken, ob das vielleicht hilft?«
Ich schaute auf Kyles Hand, auf das Loch darin und das Durcheinander aus zerrissenen Sehnen und sickerndem Blut. Erinnerte mich an das, was Felix Hudson gesagt hatte, und musste Pat zustimmen: Es machte keinen Spaß.
»Ich dachte, ich würde mich fühlen … als ob ich es wirklich unbedingt wollte«, fuhr er fort. »Aber es … es fühlt sich einfach … Gott, es ist jetzt alles so sinnlos. Ich meine, Clare zum Beispiel, die wäre jetzt nicht stolz auf mich, weil es nichts ändert, oder? Es bringt sie nicht …«
Er schniefte, zog an der Zigarette, blinzelte mit seinen roten Augen gegen den Rauch an.
»Wie alt ist der Typ? Neunzehn? … Es bringt sie nicht zurück«, sagte er.
Es wäre besser gewesen, wenn es Matt gewesen wäre, dachte ich. So gesehen war Kyle eine Niete. Er war ein Wichser, der sein schlimmstes Verbrechen unter vorgehaltener Waffe begangen hatte. Er war nur eine Puppe, an der Pat seine Wut ausließ – ein Sandsack mit einem aufgemalten Gesicht.
»Pat«, sagte ich. »Alle, mit denen ich gesprochen habe, Emmas Freundinnen und so weiter, alle haben gesagt, dass ihr deine Meinung wirklich wichtig war. Wenn ich nach ihren Eltern gefragt habe, sagten alle, sie wäre gut mit dir klargekommen.«
Ich dachte, er wäre kurz davor zu weinen, als er mir zunickte. Aber er nahm nur einen noch längeren Zug von der Zigarette, dann drückte er sie auf Kyles Arm aus.
Pat atmete seinen eigenen Rauch wieder ein. »Was haben sie über Clare gesagt?«
Es war deprimierend, wie viel ihm das bedeutete und wie wenig ihr.
Ich antwortete nicht schnell genug, er wirkte niedergeschmettert.
»Sie waren einfach zu verschieden«, sagte er, versuchte, mein Schweigen zu rechtfertigen. »Em war eh in einem schwierigen Alter. Es war … Einmal sagte Em zu mir, wenn Clare eine Mitschülerin von ihr wäre, würde sie sie für eine verwöhnte Zicke halten.«
Ich wusste nicht, ob ich grinsen sollte oder nicht, bis er es tat und den Kopf schüttelte.
»Eine verwöhnte Zicke?«
»Verwöhnte reiche Zicke. Ich darf da eigentlich nicht drüber lachen, aber sie war halt erst sechzehn, weißt du. Ich glaube,
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