Kalter Schmerz
entgegnete er. »Man tut alles, um seine Kinder zum Lachen zu bringen, und wenn’s ihnen peinlich ist, tut man’s erst recht. Du müsstest mich mal sehen, wenn Ryan Fußball spielt. Er findet das super.«
Es war schwer, ihn mir als Vater vorzustellen.
Ronnie wandte sich wieder an den jungen Türken. »Weißt du, wer das ist?« Er wies auf mich und zog seine Worte so in die Länge, wie es Engländer tun, wenn sie mit Ausländern reden. »Kennst du den? Der macht dich alle, verstehst du? Soll er dich allemachen? Also, hast du das Geld?«
Ich sah mir den armen Kerl an. Er war Anfang zwanzig und trug keinen Ehering. Hoffentlich hatte er nicht zu viele Angehörige, die traumatisiert werden konnten. Wenn ich richtig Glück hatte, hatte er nicht mal eine Freundin oder Geschwister.
Er erwiderte meinen Blick, und ich zuckte mit den Achseln, ohne zu wissen, was ich mit der Geste sagen wollte.
»Ich geb dir den Vortritt«, sagte Ronnie und machte eine einladende Armbewegung. »Na los, du willst doch.«
Es war schwer, ihm etwas abzuschlagen, er war einer meiner einträglichsten Arbeitgeber. Trotzdem hatte ich eigentlich keine Lust.
»Bitte …«, flehte der Türke. »Bitte … nicht.«
Ich warf einen Blick zurück zur Straße, aber Ben und sein Kollege standen dicht beieinander und versperrten die Sicht auf uns. Es wurde langsam spät, und mir war ziemlich egal, wem dieser arme Wichser Geld schuldete.
»Bitte … Ich besorg dir das Geld!«
Ich nickte Ronnie zu und beschloss, ein bisschen auf Show zu machen und es schnell hinter mich zu bringen.
Der Türke wich zurück.
»Bitte …«
Ich wollte, dass er aufhörte zu betteln, und boxte ihm gegen die Kehle. Seine Worte wurden erstickt, ehe sie nach außen dringen konnten. Es ging so schnell, dass seine Hände auf der Suche nach der Schmerzquelle kurz flatterten, ehe er sich an den Hals griff.
Als Erstes zielte ich auf sein Gesicht, um ihn k.o. zu schlagen. Er fiel zur Seite, und ich trat ihm einmal, zweimal in die Rippen, dann rollte er sich auf den Bauch.
»Genau das meine ich«, sagte Ronnie.
Ich machte meine Jacke auf, damit ich mehr Bewegungsfreiheit hatte, und stampfte mit dem Absatz auf seinen unteren Rücken. Mein Kopf war leer. Irgendwas knackte. Ich trat auf sein Handgelenk. Ich hörte nichts außer dem Malmen seines Körpers auf dem Asphalt. Mit einem Cricketschläger wäre es einfacher gewesen.
Es war unbequem, ihm aus diesem Winkel einen Schlag zu versetzen, deshalb trat ich wieder zu. Es gab keinen Widerstand, kein Zusammenkrümmen, keinen Versuch, mich aufzuhalten. Er war ohnmächtig geworden.
»Sachte, sachte, verdammt«, hörte ich jemanden sagen.
Ich wischte mir Schweiß unter dem Pony weg und merkte, dass meine Hände zitterten. Ein letzter Tritt, dann zwang ich meine Muskeln innezuhalten. Ich glaubte nicht, dass er tot war, aber es war schwer zu sagen.
Bens Gesichtsausdruck ließ mich annehmen, dass ich es übertrieben hatte.
Ein schwaches Gurgeln kam tief aus der Kehle des Türken, ich entspannte mich.
Ronnie sah mich an. »Willst du ganz bestimmt keinen Drink?«
»Nein, schon gut«, sagte ich schwer atmend. »Zufrieden?«
»Du hast ein paar gut aufs Haus!«
»He, ihr Wichser!«
Alle zusammen drehten wir uns um und sahen sechs Typen am Ende der Gasse stehen. Einige hatten Schlagstöcke dabei. Einer oder zwei von ihnen hatten Kebabmesser.
Scheiße, dachte ich. Er war Türke.
Der Anführer, der die abschreckendste Waffe hatte, trat vor. »He, habt ihr gedacht, wir holen euch nicht ein? Was ist, fette Sau ?«
Die letzten beiden Worte galten dem einen von Ronnies Leibwächtern, der immer noch atemlos war.
»So was macht ihr mit keinem von uns.« Der Türke wies auf die Klinge seines Messers. »Ich schwöre bei Gott, ich zerschlitze euch die Fresse. Für jeden Schlag, den er abbekommen hat, schneide ich euch was ab, verstanden?«
»Leute …« Ronnie streckte die Hände aus und entfernte sichdemonstrativ gelassen von dem Mann am Boden. »Das hier ist was Geschäftliches, das hat nichts mit euch zu tun.«
Sie lachten und machten mehrere Schritte auf uns zu. »Jetzt schon, ihr Wichser.«
»Leute …«
Einer kratzte mit seinem Messer dramatisch über die Mauer, einen flüchtigen Moment lang fragte ich mich, ob schon mal Leichen als Kebab geendet waren.
»Zuerst schneide ich euch die Füße ab, okay?«
Ich hatte genug. Ich zog meine Automatik und zielte auf ihre Köpfe. » Jetzt wird’s geschäftlich!«
Drei von ihnen rannten weg.
Weitere Kostenlose Bücher