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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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erbarmungslos heraussickernden Blut, so viel Blut – es lief in seine Jacke, auf seine Hose, in den Fußraum.
    Der Schnitt war so tief, dass sein Kopf fast vom Körper abgetrennt war.
    Seine Augen waren noch geöffnet.
    Als ich wieder zu mir kam, überprüfte ich die Rückbank und stürzte so hektisch aus dem Wagen, dass ich hinfiel und mir das Kinn am Asphalt aufschrammte. Ich schlug die Tür zu, öffnete sie erneut und stellte die Scheinwerfer aus.
    Mein Herz raste, ich wollte davonlaufen, hielt jedoch inne, als mir einfiel, dass überall am Auto meine Fingerabdrücke waren. Ich ging zurück, wischte so viel wie möglich ab und versuchte dabei, nicht zu genau in Mackies leere Augen zu sehen.
    »O Gott, Mack … Gott …«
    Ich öffnete die Tür und suchte nach seinem Führerschein, nach dem Portemonnaie oder anderen Ausweispapieren. Als ich ihn abtastete, schien sich sein Kopf unabhängig vom Körperzu bewegen. Ich schaute durch das Heckfenster und durch die Windschutzscheibe, konnte aber niemanden entdecken.
    Sobald ich seine Brieftasche hatte, schloss ich die Tür und nahm einen Umweg zu meinem Auto. Ich hatte keine Akte, sagte ich mir immer wieder. Es gab keine Akte, keinen Schuhkarton … Aber ich konnte es nicht riskieren.
    Ich blieb stehen und holte mein Handy hervor.
    Ich behielt die Straße nach beiden Seiten hin im Auge, als Mark auf dem Beifahrersitz eines fetten Geländewagens eintraf. Wie sich herausstellte, gehörte der Wagen Roman Katz, einem Russen ohne erkennbares Alter, dessen Lippen mich an einen toten Fisch erinnerten und der so blasse Haut hatte, dass ich an seinen Händen alle Adern sehen konnte. Er jagte mir eine Scheißangst ein, aber er war ein guter Freund von Mark und, soweit ich wusste, in einer Krise sehr nützlich.
    Die beiden trugen identische schwarze Jacken mit pelzbesetzter Kapuze.
    Nachdem Katz den Ford mit Plastiktüten ausgelegt und Mackies Leiche auf den Beifahrersitz geschoben hatte, ließ er den Wagen an. Er bewegte sich ganz ungezwungen, zeigte keinerlei Reaktion auf die Unmengen von Blut.
    »Du kennst diesen Mann gut?«, fragte er mich, eine elegant schwebende Zigarette zwischen den Lippen, bevor er die Tür zumachte.
    »Ich kannte ihn, ja. Würde nicht sagen, dass wir befreundet waren.«
    »Kann trotzdem komisch sein. Die Leute sind nur Kollegen, aber wenn sie nicht mehr da sind, fühlt es sich an, als ob … als würde man ständig die Autoschlüssel verlieren, glaube ich.«
    Zumindest war Mackie nicht mit Stilettos an den Füßen gestorben, dachte ich. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, hatte er gewusst, dass es so weit kommen würde, dass er sterben würde, und er hatte sich nicht die Mühe gemacht, viel Tamtam darum zu machen.
    Mit Mackie auf dem Beifahrersitz fuhr ich hinter dem Geländewagen her, während Mark in meinem Auto folgte. Er fragte mich nicht, was geschehen war, und nahm meine schlichte Erklärung einfach hin, wobei ich damit rechnete, dass er später mehr Fragen stellen würde.
    »Wir wollten gerade einen trinken gehen«, sagte er. »Aber das hier eignet sich ja genauso gut als gesellige Veranstaltung.«
    »Ja, tut mir leid, dass ich euch noch mal rausgeholt habe.«
    »Nein, meine ich ernst. Roman ist genau wie du, er weiß nicht, wie man nicht arbeitet.«
    Wir hielten außerhalb einer Deponie, übergossen den Ford mit Benzin und zündeten ihn an. Wieder schmeckte ich Kupfer auf der Zunge, und plötzlich wurde mir schwindelig, doch ich war überzeugt, dass es keine Schuldgefühle waren. Ich konnte den Blick nicht von dem Wagen abwenden, starrte in die dicken Rauchschwaden, die in Richtung M25 zogen, suchte nach dem Umriss von Mackies Leiche, als erwartete ich, dass er gleich ausstieg und auf mich zu spaziert kam.
    Gebannt sah ich zu, bis Katz verkündete, er fahre jetzt heim zu seiner Frau. Er hob nicht die Stimme, wenn er sprach, erwartete eher von den anderen, dass sie sich bemühten, ihn zu verstehen, als sich selbst irgendwie anzustrengen.
    »Ich bin Mark eine Menge schuldig«, sagte er zu mir und gab mir die Hand. Sie fühlte sich an wie nasse Salatblätter. »Das macht mir überhaupt keine Umstände. Außerdem: Ein schönes Kaminfeuer zu Weihnachten, das ist doch gut für die Seele, meinst du nicht?«
    Er schmunzelte vor sich hin, ließ meine Hand los und stiegin seinen Geländewagen. Nach einem kurzen Wortwechsel mit Mark auf Russisch ließ er uns zitternd an der Deponie zurück.
    »Weißt du, wer es gewesen ist?«, fragte Mark, als wir uns

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