Kalter Schmerz
nämlich nicht er war … Es war sie selbst.«
Mum hat wieder einen Hirnfick …
Mark konnte es sich leisten, morbide fasziniert zu gucken. Er war nicht derjenige, der so viele falsche Schlüsse gezogen hatte. Ich stellte den Film zurück, spielte ihn wieder ab, sah sie diesen Sekundenbruchteil zögern, ehe sie versuchte, den eigenen Kopf aufzuspalten, Fäuste gegen den Spiegel gedrückt, die gelockerten Träger ihres Kleids streiften die Narben auf ihren Oberarmen.
Ich war so dumm gewesen, so verdammt engstirnig.
»Brisante Sache«, sagte Mark. »Willst du was trinken?«
Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr und schoss hoch. »Kann nicht, hab noch einen Termin.«
26
Als ich zum Treffen mit Mackie aufgebrochen war, hatte Mark im Wohnzimmer auf dem Boden gesessen und die Fotos und Unterlagen in eine Ordnung zu bringen versucht. Ich hatte mir eine Waffe von ihm ausleihen dürfen, die sich fremd in meinen Händen anfühlte.
Wenn ich mehr aus meiner freien Zeit zwischen den Aufträgen machen würde, so wie Mark, würde ich mich wahrscheinlich meistens im Underground aufhalten.
Eine majestätische Rothaarige namens Portia ließ mich rein. Ich war froh, dass es sie war und nicht dasselbe Mädchen wie beim letzten Mal oder Ronnie, auch wenn der mir einen Gefallen schuldete. Hoffentlich arbeitete er heute Abend nicht, so dass ich dem Ärger mit ihm aus dem Weg gehen konnte.
Ich bestellte ein Mineralwasser, das immerhin als Gin Tonic durchgehen konnte, und lehnte mich gegen die Theke.
Es lief Modern Jazz, und auf der Bühne tanzte ein Mädchen in rotem String-Tanga, das ich schon mal gesehen hatte. So wie ich diesen Laden kannte, waren die Steine an den Riemen ihrer Stilettos mit Sicherheit Diamanten.
Ich entdeckte Mackies fedrigen Haaransatz in der Nähe der Bühne.
Er warf einen kurzen Blick nach hinten und sah schnell wieder fort.
Mein Handy vibrierte.
REDE MIT IHM, GEHE DANN. WIR TREFFEN UNS NACHHER AM AUTO, STEHT HINTEN. M
»Caruana!«
Ich drehte mich um, und Noel Braben, der zweite Geschäftsführer dieses Ladens und auch bei allen illegalen Geschäften Ronnies Kompagnon, stützte sich auf die Theke. Damit war so gut wie sicher, dass ich nicht auf Ronnie treffen und mich würde erklären müssen.
»Braben!«
Noel war gute sechs bis acht Zentimeter kleiner als ich, hatte ein wettergegerbtes Gesicht, dicke Brauen und blaue Augen, aus denen er einen immer so anfunkelte, als habe er gerade eine unheimlich witzige Anekdote erzählt.
Es war seltsam zu sehen, dass so starke Persönlichkeiten wie Ronnie und er derart problemlos unter Edie arbeiteten. Aber irgendwie passte es auch zu ihnen. Sie hatten freie Hand bei der Führung des Clubs und dabei genug Freizeit, um ihren lukrativeren Drogengeschäften nachzugehen.
»Schicker Vokuhila, den du da rumträgst«, sagte er.
»Das ist kein Vokuhila, Mann. Und als was bis du verkleidet? Wo hast du diesen Anzug her?«
»Das ist Yves Saint Laurent.«
»Nett, sieht aber eher nach Dr. Who aus.«
»Ach, halt den Mund, Bono.«
Wir tranken beide einen Schluck.
»Warst schon länger nicht da«, sagte Noel. »War Cassie in Ordnung?«
»Ja, klar, Cassie war super.« Ich behielt Mackie im Blick, aber er saß immer noch alleine da. »Hatte eben viel zu tun. Und, wie läuft das Geschäft?«
»Wahnsinn. Weihnachtszeit.« Er rieb sich die Hände. »Die Mädchen wollen ständig frei haben, das … nervt ein bisschen. Edie lässt sich immer verdammt leicht bequatschen, aber die können einfach nicht alles kriegen …«
»Wie geht’s Caroline?«
»Keine Ahnung.« Er zog ein Gesicht. »Sind sozusagen getrennt.«
»Scheiße, tut mir leid.«
Als er meine nichtssagende Bemerkung wegwischte, merkte ich, dass er seinen Ehering nicht mehr trug. Ich hatte Caroline ein oder zwei Mal gesehen. Sie war eine pfiffige, unglaublich schöne Buchhalterin mit rotem Haar. Wenn man mitbekam, wie sie sich mit Noel unterhielt, klang es, als wäre Sarkasmus zur olympischen Disziplin erklärt worden.
»Das ist mit Sicherheit nur vorübergehend«, sagte er. »Die kommt zurück. Guckst du nur zu oder soll ich dir eine liebreizende Dame aussuchen?«
»Häng nur ab.«
»Kein Problem.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Muss mich kümmern, war schön, dich zu sehen.«
Als er ging, wurde ich langsam nervös. Mackie saß immer noch allein da. Das Mädchen hatte seinen Tanz beendet und war in einem der Privatzimmer im Gang zum Hauptclub verschwunden.
Statt Jazz lief jetzt etwas eher
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