Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
Vom Netzwerk:
gegen die Motorhaube meines Autos lehnten und in die Flammen schauten. »Wer ihn umgelegt hat?«
    »Hm …« Ich seufzte. »Das war Hudson. Ich habe Mack nur ganz kurz aus den Augen gelassen … Gott, dieser Abend ist so in den Arsch gegangen, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Diese ganze Geschichte … dermaßen im Arsch.«
    »Was geht hier eigentlich ab?« Er verwuschelte mein Haar. »Das mit dieser Clare … der Umzug … Felix Hudson, der den Leuten fast den Kopf abschneidet … Wäre schön, wenn du mal rauskämst mit der Sprache.«
    Als ich antworten wollte, merkte ich, dass ich weinte. Der Kofferraum des Ford war aufgesprungen, stand in der Luft wie die Heckflosse eines Hubschraubers. Das brennende Gerippe des Autos sah für mich nach Rotorblättern aus, das Brüllen der mächtigen Flammen klang nach Fahrzeugen, Kreischen, Schüssen, nach Krieg.
    Ich rieb mir mit beiden Händen über die Wangen, aber die Tränen flossen immer weiter.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    Mit einer Hand zündete sich Mark eine Zigarette an, wuschelte mir noch mal durchs Haar und schwieg. Es war rücksichtsvoll von ihm, mir die Peinlichkeit zu ersparen und mich nicht darauf anzusprechen.
    Ich hielt die Gefühle hinter glasigen Augen zurück, es kam mir sehr lange vor, vielleicht eine halbe Stunde oder so, und ich brachte nichts anderes heraus als: »Er fehlt mir.« Wenn ich mehr gesagt hätte, wäre ich zusammengebrochen.
    Mark reichte mir eine Schachtel Zigaretten.
    Die Luft um uns herum war warm und der Gestank gallenbitter. Allmählich tat mir der Qualm in den Augen weh und kratzte bei jedem Atemzug in der Kehle.
    »Nicht Mackie«, sagte ich. »Der fehlt mir nicht … Ich meinte …«
    »Schon gut.« Mark lächelte, legte mir einen Arm um die Schultern und drückte mich. »Nein, das hab ich schon verstanden, danke.«
    Ich wandte mich ab und rauchte meine Zigarette mit Blick auf das Dach meines Wagens.
    Aus dem Augenwinkel sah ich den Hubschrauber brennen.

27
    »Hallo, Schatz, ich bin’s … wer sonst, haha!«
    Nachdem ich mir Clares Video aus dem Studio mehrere Male allein angesehen hatte, machte ich mich an die anderen. Meine Kleidung und meine Haare rochen nach Qualm, aber ich war zu müde, um vor dem Morgen noch unter die Dusche zu steigen.
    Das Bild, das ich von ihr gezeichnet hatte, lag neben meinem Laptop und sah mich an.
    Der Film, den ich als Nächstes anklickte, schien auf Emmas letztem Geburtstag aufgenommen worden zu sein. Clare saß auf der Couch in ihrem Wohnzimmer, ein grünes Kleid hob sich gegen ihren goldenen Teint ab, ihr Haar war etwas kürzer, als ich es von ihr kannte.
    Ich war so müde, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren konnte. Nach ein paar Sekunden stellte ich den Film erneut auf Start, da ich im Sitzen eingedöst war.
    Wieder lächelte Clare. »Hallo, Schatz, ich bin’s … wer sonst, haha!«
    Ich hätte sie so gerne gekannt, als sie noch normal war. Oder zumindest als sie noch so hatte lächeln können. Mir fiel auf, dass die Narben an ihren Armen weggeschminkt waren.
    »Dein Dad will jetzt auch so was aufnehmen … Ich bin ja eher ein Angsthase, was Computer und so angeht, aber er meint, wir könnten es dir mailen … Wir hoffen beide, dass du total viel Spaß hast im Urlaub! Ich wollte dir nur sagen … Herzlichen Glückwunsch an deinem richtigen Geburtstag, also herzlichen Glückwunsch, Schätzchen!«
    Ich schaute auf das Datum. Es war keine drei Monate her.
    »Du fehlst uns beiden so sehr, wir können es gar nicht erwarten, dass du zurückkommst, damit du deine Geschenke auspacken kannst und …« Sie überlegte, nestelte an ihrem Haar herum und lachte. »Ich habe es jetzt schon zehn Mal probiert, und dein Vater wird langsam richtig sauer, weil ich es immer wieder vermassel, deshalb muss ich mich jetzt ordentlich anstrengen, damit ich es hinkriege.«
    Ich stellte leiser, damit Mark nicht durch die Wand mitbekam, dass ich mir die Videos anschaute. Die Unterlagen, die er auf dem Wohnzimmerboden angeordnet hatte, lagen immer noch da, wie ein entarteter Stammbaum. Mackies Papiere hatte er auch behalten. Er hatte mir nicht erzählt, was er damit vorhatte, aber ich wusste, dass er von den Geschichten anderer Menschen fasziniert war. Anders als ich sah er in jedem, mit dem er beruflich zu tun hatte, ein Individuum.
    »Als du auf die Welt kamst … Dad meint, ich soll dir das nicht sagen, aber ich bring das jetzt mal ins Reine. Also, als du auf die Welt kamst, hab ich dich vom Tisch fallen

Weitere Kostenlose Bücher