Kalter Süden
spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, und klickte auf das Dokument.
Es war eine alte Website, die im Speicher des Computers zur allgemeinen Unordnung beitrug, im Ordner temporary internet files. Sie stammte von einer Firmensuche auf infotorg.se , die sie vor einer Ewigkeit einmal durchgeführt hatte.
Es ging um eine Firma namens Advice Investment Management AB , die »Finanzberatung und Unternehmensentwicklung und damit zu vereinbarende Geschäftstätigkeit, jedoch keine Geschäftstätigkeit im Rahmen der Verordnung über Bankdienstleistungen oder der Verordnung über Kreditgeschäfte« anbot.
Sie ließ den Blick über die Seite schweifen und blieb bei der Geschäftsführung hängen.
Das Unternehmen bestand aus zwei Hauptgeschäftsführern, Lena Yvonne Nordin aus Huddinge und Niklas Ernesto Zarco Martinez aus Skärholmen. Als Stellvertreter war David Zeev Lindholm aus der Bondegatan in Stockholm angegeben.
Sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
Jetzt fiel es ihr wieder ein. Genau hier hatte sie den Namen Zarco Martinez schon einmal gesehen. Sie wusste auch, in welchem Zusammenhang diese Seite aufgetaucht war: Sie hatte damals wegen der merkwürdigen Unternehmertätigkeiten des ermordeten Polizisten David Lindholm recherchiert.
Niklas Ernesto Zarco Martinez aus Skärholmen wurde in Schweden Nicke und in Spanien Ernesto genannt. Er war folglich der große Bruder von Jocke Zarco Martinez und hatte gemeinsam mit Yvonne Nordin, der dreifachen Mörderin von der Sankt Paulsgatan, eine Firma betrieben. Sie kehrte zurück zu ihrer Suche, der kleine Spürhund hatte noch zwei weitere Dokumente aufgetrieben und dann die Suche beendet. Er war fertig.
Das erste war das Foto eines abgemeldeten Reinigungsunternehmens in Skärholmen, gemeinsam betrieben von Lena Yvonne Nordin und Niklas Ernesto Zarco Martinez.
Das andere war ein Auszug aus dem staatlichen Personen- und Melderegister.
Niklas Ernesto Zarco Martinez – abgemeldet. Person verstorben.
Er war am Weihnachtsabend vor eineinhalb Jahren gestorben.
Sie nickte, das stimmte. Jetzt erinnerte sie sich wieder an die Suche.
Plötzlich begann sie zu zittern.
Ihr ging auf, was sie hier vor sich hatte.
Es gab eine Verbindung zwischen den Brüdern Zarco Martinez, Yvonne Nordin, David Lindholm und Astrid Paulson, Veronica Söderströms Mutter: Sie hatten gemeinsame Firmen gehabt, zusammengearbeitet, und jetzt waren sie alle tot. Alle auf gewaltsame oder unnatürliche Weise ums Leben gekommen.
Dann drang langsam ein Gedanke in ihr Bewusstsein, und sie rief noch einmal die Internetseite www.aplaceinthesun.se auf.
Sie betrachtete das klobige Logo in der linken oberen Ecke. Die Worte standen untereinander, umgeben von einer strahlenden Sonne.
A
Place
In
The
Sun
Dann las sie die Anfangsbuchstaben der Worte, von oben nach unten, und das Zimmer begann sich zu drehen.
Apits.
Niklas Linde hatte sich geirrt. Apits an der Costa del Sol war nicht die Abkürzung für Airport Passenger Intelligent Transport System oder Analog Proprietary Integrated Telephone Systems.
Es bedeutete A Place in the Sun.
Ein Platz an der Sonne.
TEIL III
Nach Pfingsten
Der Engel
vom Gudagården
Zuerst gab es nur Himmel und Wiesen. Luft und Raum und Wind.
Da waren Mutters starke Arme und die duftenden steifen Bettlaken. Die gelaugten Bodendielen, das glitzernde Wasser des Sees und die Lieder am Abend.
Er hat das Himmelstor geöffnet
Und bat mich herein.
Mit seinem Blut wurd’ ich gerettet
Und bin auf ewig sein.
An den Vater hatte sie keine frühen Erinnerungen. Er existierte nur in der Ferne, am Rande ihres Blickfelds, denn er war zu sehr mit dem Irdischen verbunden: dem Boden, dem Hof, den Worten. Sie jedoch schwebte immer ein Stück über den Dingen, ohne den Boden zu berühren, sie war nämlich ein Engel.
Das sagte Mutter immer.
»Du bist mein Engel«, sagte sie auf Deutsch, denn mit ihr sprach Mutter immer ihre eigene Sprache, die Sprache der Engel.
Und sie flatterte und tanzte über Gudagården, ganz das gesegnete Kind, ohne Sünde gezeugt im Namen des Herrn. Vater mochte nicht, dass sie mit den anderen Kindern auf dem Hof sprach, doch sie tat es trotzdem, denn Gott spricht mit jedem, und Er sieht und hört alles. Und alle waren nett und freundlich zu ihr, lächelten und sagten liebe Sachen, denn sie war ja die Tochter des Pfarrers. Alle – außer dem Trollmädchen.
Das war ein Mysterium.
Der Engel hatte ein bisschen Angst vor dem Trollmädchen. Nicht viel,
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