Kalter Süden
die Woche darauf wird es ziemlich eng. Ich muss zu einer Konferenz, und eigentlich habe ich ja in der Woche die Kinder, aber ich dachte, wir könnten vielleicht tauschen …«
»Kann ich jetzt noch nicht sagen«, schnitt Annika ihm das Wort ab. »Ich habe seit heute einen neuen Posten in der Redaktion, und das bedeutet eine ganze Reihe von Veränderungen.«
Er schwieg.
»Hättest du das nicht zuerst mit mir besprechen müssen?«, fragte er dann kurz angebunden.
Jäh wallte heftiger Zorn in ihr auf. Sie biss die Zähne zusammen und schluckte.
»Meine Wochen mit den Kindern betrifft das nicht, deshalb habe ich keinen Grund dafür gesehen.«
»Okay«, sagte er eingeschnappt. »Sophia möchte mit dir sprechen.«
Er reichte den Hörer an seine neue Lebensgefährtin weiter, ohne sich zu verabschieden.
»Hallo, Annika, hier ist Sophia.«
»Hallo.«
»Du, wir haben in meinem Netzwerk darüber gesprochen, ja, also in meinem privaten Netzwerk, mit meinen Freundinnen, und wir möchten dir ein kleines Angebot machen.«
Annika atmete tief durch und zwang sich, ruhig und beherrscht zu bleiben.
»Du hast doch beruflich mit der geschriebenen Sprache und so zu tun, hättest du nicht Lust, bei unserem Lesekreis mitzumachen?«
Lesekreis? Ach du heilige Scheiße.
»Äh«, machte Annika und bremste vor der Ampel an der Rissne-Kreuzung.
»In dieser Woche lesen wir ein wunderbares Buch von Marie Hermanson, Pilze für Madeleine , kennst du das? Es handelt davon, das zu bewahren, was wichtig ist, und seinen Platz im Leben zu finden. Der Sohn wächst im Wald auf, aber sein wahres Zuhause ist am Meer, es ist eine unheimlich schöne Geschichte. Magst du Marie Hermanson?«
Annika hatte Muschelstrand gelesen und ein Buch angefangen, in dem ein Mann unter einer Treppe wohnte, aber das hatte sie nicht bis zum Ende durchgehalten.
»Weiß nicht«, sagte sie. »Du, ich stehe hier im Moment etwas ungünstig, und außerdem habe ich heute einen neuen Job in der Redaktion bekommen, von daher wird es in der nächsten Zeit ein bisschen unübersichtlich …«
»Einen neuen Job?«, echote Sophia. »Und wie wirkt sich das auf unsere Wochen mit den Kindern aus?«
Da, genau da war der Punkt erreicht, an dem das Fass für Annika überlief.
»Pass mal auf«, sagte sie, »unter Umständen würde ich größere Veränderungen in meinem Beruf noch mit dem Vater meiner Kinder besprechen, aber mit dir werde ich niemals im Leben über meine Arbeit diskutieren. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Sophia Dumme Schlampe Grenborg klang ein wenig gekränkt.
»Warum bist du denn so aggressiv? Ich will doch nur das Beste für deine Kinder.«
Annika lachte gellend und böse.
»Was bist du nur für eine verdammte Heuchlerin«, sagte sie viel zu laut. »Wenn du das Beste für meine Kinder gewollt hättest, dann hättest du nicht unsere Familie zerstört, du verdammte …«
Sie hätte beinahe »Fickfotze« gesagt, merkte aber, dass die Bezeichnung nicht ganz adäquat war.
»Ich habe keine Zeit für dich oder deine Buchzirkel«, sagte sie stattdessen. »Eher friert die Hölle zu, als dass ich deine Freundin werde, also lass es, okay?«
Sie drückte das Gespräch weg, ohne eine Antwort abzuwarten.
Zum ersten Mal schämte sie sich nicht dafür, dass sie Sophias Luxus- BH auf der Toilette einer Tankstelle bei Kungsör in Fetzen geschnitten hatte.
Dass sie unter der gefälschten Mailadresse deep-throat-rosenbad einen Tipp an ihre eigene Zeitung geschickt und dafür gesorgt hatte, dass Thomas’ Gutachten für das Justizministerium in der Versenkung verschwunden war, fühlte sich plötzlich auch schon viel besser an. Außerdem schien er sowieso keine Not zu leiden, er hatte sofort einen neuen Auftrag bekommen. Es ging um die Koordinierung einer neuen Gesetzgebung in Bezug auf internationale Wirtschaftsverbrechen, und darüber hatte er weiß Gott nicht mit ihr diskutiert.
Für die Rushhour war der Verkehr erstaunlich dünn, aber es war ja auch ein Brückentag, an dem viele wie Nina Hoffman Urlaub genommen hatten.
Sie kam gerade rechtzeitig in die Redaktion, um ihren Laptop einzupacken und Feierabend zu machen.
»He«, rief Patrik, kaum dass er sie entdeckt hatte. »Du fliegst morgen früh nach Málaga.«
Annika, die gerade dabei war, ihre Siebensachen in die Tasche zu stopfen, ließ die Notizen zurück auf den Schreibtisch fallen.
»Wovon redest du?«, fragte sie.
»Du bist auf die Maschine um 06 . 30 Uhr gebucht«, sagte Patrik.
Annika
Weitere Kostenlose Bücher