Kalter Süden
entdeckt und begonnen hatten, Grundstücke aufzukaufen und große Villen mit schönen Swimmingpools zu bauen. Das war sicher alles richtig, aber nicht sonderlich interessant. Annika blendete seine Stimme aus und blickte auf die Landschaft.
Wie sollte sie in Asilah einen muqaddam finden? Wo sollte sie anfangen zu suchen? Wen sollte sie fragen?
Dann fiel ihr Blick auf den Mann am Steuer, und sie schlug sich die Hand vor die Stirn. Wo hatte sie bloß ihren Kopf? Der beste Fremdenführer der Welt saß doch vor ihr!
»Entschuldigung«, sagte sie, »aber wissen Sie, ob es in Asilah einen muqaddam gibt?«
Erneuter verwunderter Blick in den Rückspiegel.
»Einen was?«
Sie bemühte sich, das Wort richtig auszusprechen.
»Einen muqaddam .«
»Ah, einen muqaddam !«
Er verschluckte alle Vokale und sprach es mqdm aus.
»Selbstverständlich gibt es einen muqaddam in Asilah.«
Sie sah auf die Uhr, es war halb sieben.
»Was meinen Sie, hat er ein Büro?«
»Sicher, er hat ein Büro.«
»Und wie lange ist das geöffnet?«
»Bis um fünf.«
Sie lehnte sich zurück und merkte, wie ihr Mut sank. Na ja, wenn der Taxifahrer ihr half, das Büro zu finden, dann würde sie sich ein Hotel suchen und morgen früh hingehen …
»Das schaffen wir schon«, sagte der Fahrer. »Es sind ja nur noch ein paar Kilometer bis Asilah.«
Sie blickte ihn verblüfft an und sah wieder auf die Uhr. Die zeigte jetzt kurz nach halb sieben.
»Aber haben Sie nicht eben gesagt, dass das Büro um fünf Uhr schließt?«
Der Mann zwinkerte ihr im Rückspiegel zu.
»Haben Sie die Uhr nicht umgestellt, als sie von Bord gegangen sind? Hier ist es halb fünf.«
Sie schnappte nach Luft. Du heiliger Strohsack, das hatte sie ganz vergessen! Marokko hatte ja zwei Stunden Zeitunterschied zu Spanien, obwohl die Länder auf demselben Längengrad lagen. Rasch drehte sie den Stundenzeiger zwei Umdrehungen zurück, und als sie wieder hinaussah, flog gerade das Schild mit der Aufschrift »Casa García« vorbei. Das war das Restaurant, das Rickard Marmén ihr empfohlen hatte. Sie waren also schon in Asilah.
Und richtig, einen Moment später bremste der Fahrer.
»Könnten Sie mir vielleicht helfen?«, fragte sie. »Ich muss den muqaddam etwas fragen, und ich spreche schlecht Französisch.«
Der Taxifahrer fuhr auf einen Parkplatz, stellte den Wagen ab und drehte sich zu ihr um.
»Sie möchten sich nach jemandem erkundigen?«
»Ja, nach einer Frau, die Fatima heißt und auf einer Farm irgendwo hier in der Nähe wohnt.«
Er nickte und schien zu überlegen.
»Wo in der Nähe?«
»Das ist das Problem. Ich weiß es nicht genau. Glauben Sie, der muqaddam kann mir das sagen?«
Er nickte, jetzt etwas überzeugter.
»Sie heißt Fatima? Wenn Fatima auf einer Farm bei Asilah wohnt, dann weiß der muqaddam Bescheid.«
Er machte den Motor aus.
»Wir parken hier. Dann gehen wir zu Fuß zum muqaddam. «
Sie folgten einem Schild, das den Weg zum QUARTIER ADMINISTRATIF wies. Annika hielt sich einen halben Meter hinter dem Mann und ließ ihn das Tempo bestimmen. Er ging nicht besonders schnell.
Sie kamen in eine Gasse mit niedrigen Wohnhäusern zu beiden Seiten. An den Mauern standen Töpfe mit Blumen und Kräutern. Der Taxifahrer hielt einen Mann in weißer Kleidung an und fragte ihn etwas auf Arabisch. Der Mann antwortete gestikulierend, und der Taxifahrer nickte dazu, dann verbeugte sich der Mann, sie redeten und redeten und redeten, und dann endlich ging es weiter.
»Die grüne Tür da vorne«, sagte der Taxifahrer. »Der Name der Frau war also Fatima? Auf einer Farm in der Nähe von Asilah? Hat sie einen Mann?«
»Ich weiß nicht, aber ich glaube, er ist gestorben«, antwortete Annika.
Der Fahrer nickte wieder.
Er ging zu der grünen Tür und klopfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er sie auf und trat ins Dunkel. Annika blieb an der Türöffnung stehen, unsicher, ob sie hineingehen sollte. Sie beschloss, lieber draußen zu warten.
Der Taxifahrer ging durch einen dunklen Flur und dann in einen Raum ganz hinten links. Ein Dreieck aus Licht fiel auf den Fußboden, als die Tür geöffnet wurde. Dann schrumpfte es und verschwand, als die Tür langsam zuging. Sie hörte, wie der Taxifahrer drinnen jemanden begrüßte, ein Schwall arabischer Worte brach los, es wurde geredet und geredet und gelacht, und nach einer Weile klang es, als würden sie Tee trinken. Annika spähte angestrengt in den schattigen Korridor und trat von einem Bein auf das
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