Kalter Süden
Puzzlestücke zusammenzusetzen.
David Lindholm, Schwedens berühmtester Polizist, heiratete Julia Hensen, das Mädchen aus Sörmland, deren beste Freundin das Nachbarmädchen Nina Hoffman war. Er hatte seine Kindheit mit Filip Andersson verbracht, der seinerseits zwei Schwestern hatte: die verrückte Mörderin Yvonne Nordin und die Polizistin Nina Hoffman. David heiratete Ninas beste Freundin, obwohl er gleichzeitig eine Affäre mit Yvonne Nordin hatte, die er auch schwängerte …
»Wie lange kannten Sie David Lindholm schon?«
»Ich habe ihn zum ersten Mal getroffen, als er unser Dozent an der Polizeihochschule war.«
»Dann sind Sie nicht mit ihm aufgewachsen?«
»Vermutlich bin ich ihm schon mal begegnet, als ich noch klein war, und ich hatte auch von ihm gehört, aber gekannt habe ich ihn nicht. Mama und ich sind nach Teneriffa gezogen, als ich drei war, da waren Filip und Yvonne schon groß. Dann bin ich in der Nähe von Valla gelandet, als ich neun war, und da lernte ich Julia kennen.«
»Sie haben mir mal erzählt, dass David nach einer Vorlesung an der Hochschule auf Julia und Sie zukam«, sagte Annika langsam. »Wusste er, wer Sie waren?«
»Natürlich! Ich glaube, er war sehr neugierig, was aus mir geworden war.«
»Aber er hat so getan, als wäre er an Julia interessiert?«
»Er brauchte nicht so zu tun. Er hat sie schließlich geheiratet.«
Sie hörte einen bitteren Unterton heraus, nicht auffallend, aber spürbar. Annika raufte sich die Haare.
»Der Mord in der Sankt Paulsgatan ist vor bald fünf Jahren passiert. Zu welchem Zeitpunkt ist Ihnen klargeworden, dass Filip und Yvonne etwas damit zu tun hatten?«
»Als Filip festgenommen wurde. Das war der schrecklichste Moment meines Lebens.«
»Und Yvonne? Sie war ja die wirkliche Täterin. Wann haben Sie davon erfahren?«
»Filip hat es mir gesagt, nachdem sie gestorben war. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich schon eine Ewigkeit nicht mehr mit Yvonne gesprochen. Nach der Abtreibung verlor ich den Kontakt zu ihr. Sie hatte sich zurückgezogen und wurde ein bisschen wunderlich.«
»Die Abtreibung?«, wiederholte Annika und hielt sich die Stirn. »Sie meinen die Abtreibung von Davids Kind?«
»Zur selben Zeit, als Julia mit Alexander schwanger war, ja«, bestätigte Nina.
Sie schwieg einen Moment.
»Es ist nicht, wie Sie glauben«, sagte sie dann. »Ich wollte nie etwas vertuschen, für mich sind meine Kindheit und meine Familie wie eine offene Wunde.«
Annika wusste nicht, was sie sagen sollte. Stumm wartete sie ab.
Als Nina weitersprach, war ihre Stimme dünn und abwesend.
»Ich habe meine Mutter wirklich geliebt, aber sie konnte kaum für sich selbst sorgen. Filip und Yvonne sind ihr entglitten, sie hat es einfach nicht geschafft, sich richtig um sie zu kümmern. Ich hatte Glück, denn ich hatte ja Julias Familie. Es war immer wie … wie eine Verpflichtung irgendwie. Als wäre es meine Aufgabe, alles zu richten …«
Bist du deshalb Polizistin geworden?, dachte Annika, behielt die Frage jedoch für sich.
»Irgendwie glaube ich an das Gute im Menschen«, fuhr Nina fort, und ihre Stimme klang jetzt klarer. »Ich glaube, dass sich jeder ändern kann, wenn er wirklich eine Chance bekommt. Mama hat es versucht, und eine Weile funktionierte es auch ganz gut, aber sie war zu kaputt, um durchzuhalten …«
»Ist Ihre Mutter tot?«, fragte Annika vorsichtig.
»Seit neun Jahren. Sie starb am Tag nach Julias und Davids Hochzeit. Jetzt sind alle anderen weg. Alle außer Filip.«
Annika musste sich konzentrieren, um Ninas Gedankengang zu folgen.
»Sie haben gesagt, dass sie wie Geschwister waren«, sagte sie. »David, Filip, Yvonne und … wer war noch mal die Vierte?«
»Die kleine Veronica. Veronica Paulson. Aber die ist ja jetzt ebenfalls tot.«
»Kannten Sie sie auch?«
Nina seufzte schwer.
»Nicht direkt. Sie ist ein paarmal mit ihrer Mutter auf Teneriffa zu Besuch gewesen. Aber später in Schweden habe ich sie nicht wiedergesehen.«
»Sie kann nicht sehr alt gewesen sein. Woran ist sie gestorben?«
Nina klang erstaunt, als sie antwortete.
»Aber darüber haben Sie doch vor kurzem erst berichtet. Sie ist doch vor ein paar Tagen ermordet worden.«
Alles um Annika herum schien zu erstarren. In ihrem Kopf wurde es totenstill, und die Zeit blieb stehen.
»Was meinen Sie?«, fragte sie tonlos und hielt den Atem an.
»Sie hat diesen Eishockeyspieler geheiratet«, sagte Nina. »Diesen Sebastian Söderström.«
TEIL II
Nach
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