Kalter Süden
und Betonpfeilern herunter in alle Richtungen.
»Soll ich fahren?«, bot Annika an.
»Jetzt sag doch einfach, wohin ich soll!«
Annika biss die Zähne zusammen.
»Fahr Richtung Málaga«, sagte sie und drehte an der Klimaanlage. »Versuch auf die A 7 zu kommen, Richtung Norden. Es sind nur ein oder zwei Abfahrten.«
Der Fahrer des Autos hinter ihnen traktierte die Hupe, Lotta legte gestresst den falschen Gang ein und würgte den Motor ab. Annika drehte den Kopf in die andere Richtung, machte die Augen zu und beschloss, ihren Ärger hinunterzuschlucken.
Sie brauchten eine halbe Stunde, bis sie da waren.
Der Palacio de Ferias y Congresos de Málaga war kleiner, als Annika aufgrund der Fotos im Internet angenommen hatte. Das Gebäude lag wie hingeworfen in einem heruntergekommenen Industriegebiet und war eine futuristische Orgie aus Glas, Stahl und Aluminium. Das Dach war wie eine Welle geformt, und die Wände sahen aus wie die Falten eines Akkordeons. Annika rief sich den virtuellen Rundgang in Erinnerung und steuerte auf den kleineren Konferenzsaal zu, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte.
»Was für ein stereotypes Bauwerk«, sagte Lotta hinter ihr. »Ich finde, es verkörpert eine Art südländisches Macho-Ideal, ein Übermaß an Stilistik und Konstruktionseifer …«
»Von der Sorte gibt es eine ganze Menge hier unten«, sagte Annika und trat unter eine Reihe regenbogenfarbener Blechröhren, die über dem Eingang hingen.
Lotta hat recht, dachte sie, als sie in das Gebäude kamen. Es war überladen mit Metall und Lampen und orangefarbenen Säulen. Sie mussten in einer undisziplinierten Schlange anstehen, sich ausweisen und wie am Flughafen durch eine Sicherheitsschleuse gehen.
Der Pressekonferenzsaal befand sich im oberen Stockwerk. Foto-Lottas Schritte hinter ihr wurden immer leiser, und als Annika die Tür erreichte, hörten sie ganz auf.
»Was ist?«, fragte sie und drehte sich um.
»Pressekonferenzen bringen fotomäßig nie was«, sagte Lotta. »Ich glaube, ich gehe wieder nach draußen und versuche, die Seele des Gebäudes einzufangen.«
Annika ließ den Blick durch den Saal wandern. Unregelmäßig strukturierte Wände aus kirschrotem Holz mit scharfen Vorsprüngen, ein blaues Podium mit vier Stühlen, die Decke mit schweren Holzpaneelen verkleidet. Brauchte man Fotos von dieser Pressekonferenz? Reihen voller alter Männer in Anzügen? Kaum. Nur falls etwas völlig Unvorhergesehenes passierte, falls Feuer ausbrechen oder die Konferenzteilnehmer anfangen sollten, sich zu prügeln, wären Fotos sinnvoll.
Sie vergewisserte sich, dass das Handy dort lag, wo es liegen sollte. Wenn wirklich was passierte, konnte sie ja anrufen.
»Geh ruhig«, sagte Annika, nahm eine Mappe von einem Stapel und betrat den Saal.
Sie setzte sich ganz nach hinten, schaltete das Handy aus und blickte über die Menschenmenge, die dabei war, sich in den Sitzreihen niederzulassen.
Es waren Medien aus ganz Europa anwesend, aber die Hackordnung schien dieselbe zu sein wie zu Hause in Stockholm.
Mit selbstverständlicher Autorität bauten sich die Fernsehteams ganz vorn auf. Die Radioreporter tummelten sich in der Reihe dahinter, platzierten umständlich ihre Mikrofone auf dem Podium und steuerten dann die Lautstärke auf ihren kleinen digitalen Rekordern aus. Die Pressefotografen schlurften zwischen den Stuhlreihen durch die Gänge. Hinter den Radioleuten saßen die Zeitungsredakteure, die Eindruck machen wollten, das erkannte sie an der steifen Körperhaltung und den wichtigen Mienen. Sie bekamen ihre Bestätigung im Leben, indem sie ihren Kollegen zeigten, wie gut sie waren – was in diesem Fall bedeutete, dass sie komplizierte und uninteressante Fragen zum Podium schrien, sobald die Radioreporter fertig waren.
Sie hielt Ausschau nach Thomas, konnte ihn aber nirgends entdecken.
Vier Männer betraten das Podium und nahmen hinter dem Tisch Platz: ein EU -Kommissar, ein spanischer Jurist, ein niederländischer Jurist und ein Moderator.
Annika stöhnte innerlich auf.
Foto-Lotta hatte genau das Richtige getan.
Die Pressekonferenz zog sich ewig hin. Bei den Ausführungen »über Anpassungen und Maßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität in dem durch diese Verordnung geregelten Umfang« nickte Annika für ein paar Minuten ein.
Kurz gesagt handelte die Konferenz davon, dass die Gesetze zur Wirtschaftskriminalität in den einzelnen EU -Ländern harmonisiert werden mussten. Dabei ging es um Themen wie
Weitere Kostenlose Bücher