Kalter Tee und heiße Kuesse
Tupperdose hervor. „Möchtest du ein belegtes Brot? Mit Tomate und Salat. Hab ich noch schnell zubereitet.“
Magnus konnte jedoch nichts essen. Sein Hals war vor Aufregung zugeschnürt. Es musste alles gut werden. Es musste. Alles musste gut werden. An die Aussöhnung mit seinem Vater dachte er dabei nicht. Er dachte nur an Lena. Sein Herz tat weh, wenn er an sie dachte. Noch nie vorher hatte er solch ein Gefühl gehabt.
11. KAPITEL
„Bernhard, jetzt hör mir doch bitte mal zu.“ Johanna winkte dem Kellner und orderte zwei Kaffee. „Sei nicht so bockig. Du bist ja schlimmer als dein eigener Sohn. Ihr seid zwei Sturköpfe, wie sie im Buche stehen. Wenn das so weitergeht, werdet ihr bis an euer Lebensende nicht mehr miteinander sprechen. Du weißt ganz genau, wie schlecht es Magnus gegangen ist. Er wurde nur ausgenommen, betrogen und verletzt. Da ist es doch kein Wunder, dass er so war, wie er war. Aber jetzt ist doch alles anders. Der Junge ist total verliebt, und ich kenne die Dame zufälligerweise. Sie arbeitet nämlich für mich. Und außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass die es ehrlich meint. Lena Sanders ist ein lieber Mensch. Zugegebenermaßen habe ich privat nicht so viel mit ihr zu tun, aber was ich von Magnus gehört habe … Wirklich, ich glaube fast wieder, dass es so was wie Liebe gibt.“
Bernhard Reichenbach schaute Johanna skeptisch an. War das die coole, unnahbare Geschäftsfrau, zu der sie sich seit Valentins Tod entwickelt hatte? Ihre Stimme war weich und voller Emotionen, man könnte fast meinen, es ginge um ihre eigenen Kinder.
„Was das Manuskript angeht …“, begann er, wurde aber sofort von Johanna unterbrochen.
„… so ist es folgendermaßen: Dein lieber Sohn hatte weiß Gott nicht vor, das unter seinem eigenen Namen herauszubringen. Er hat lediglich vergessen, das Deckblatt mit einzupacken. Dann hat er handschriftlich einige Notizen fürs Lektorat beigefügt und das ganze Paket dem Kurier in die Hand gedrückt, der schon gewartet hat. Es sollte ja schnell nach Kiel kommen. Er war so begeistert von der Geschichte, wollte sie aber von den Lektoren prüfen lassen, bevor er zu Lena geht und ihr Hoffnungen macht. Ist denn das so schwer zu verstehen?“
Johannas Handy klingelte. Es war Magnus. „Verstehe“, sagte Johanna nur. „Ja, ist gut. Verstehe. Ja, wir versuchen das einzurichten.“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Versprechen kann ich dir nichts, aber ich versuche mein Bestes. Ja, bis dann. Ich ruf dich an.“ Sie legte das Handy beiseite und trank einen Schluck Kaffee, den der Kellner mittlerweile gebracht hatte.
„Wie lange brauchen wir mit dem Auto von Kiel nach St. Goarshausen?“, fragte sie Bernhard. Der machte große Augen. „Was willst du denn da?“, fragte er erstaunt.
Johanna stand auf. „Die zusammenbringen, die zusammengehören. Und du bist einer der Beteiligten. Los, komm.“
Bernhard verstand gar nichts mehr. „Ich kann doch jetzt nicht einfach wegfahren. Ich habe noch Termine und …“
Johanna drehte sich um, legte einige Eurostücke auf den Tisch und machte ein böses Gesicht.
„Vergiss eines nicht: Blut ist dicker als Wasser. Und nun los.“ Mit diesen Worten packte sie ihren alten Freund am Anzugärmel und zog ihn auf die Straße.
Mit einem Mal blieb Bernhard stehen. „Ich habe eine viel bessere Idee“, sagte er. „Wir fliegen.“ Energisch winkte er ein Taxi herbei.
„Wir fliegen? Aber wir wissen überhaupt nicht, wann die nächste Maschine geht.“ Johanna war blass. Sie hatte schreckliche Flugangst.
„Das müssen wir auch nicht. Wir fliegen mit meinem Flugzeug. Habe ich dir nicht erzählt, dass ich seit ein paar Monaten den Flugschein habe?“
„Nein, das hast du nicht.“ Ihr Herz raste. Das würde noch fehlen, dass sie sich jetzt in so einen Grashüpfer setzen musste, der nur zwei Plätze hatte. Womöglich war er auch noch oben offen, so wie dieses Flugzeug in Jenseits von Afrika , und sie musste sich eine lederne Fliegerkappe aufsetzen.
„Fliegen hält mich jung“, strahlte Bernhard und hielt ihr die Wagentür auf. Johanna allerdings fühlte sich um Jahrzehnte gealtert.
„Bella, du siehst fa-bel-haft aus!“ Fabrizio klatschte in die Hände. „Das ist ja wie gemacht für dich!“ Sie standen in einem voll gestopften Secondhandladen, in dem es wirklich alles gab. Charlestonkleider aus den 20er Jahren, Etuikleider, wie sie einst Jackie Kennedy trug, märchenhafte Ballkleider mit Reifröcken und Handschuhen und
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