Kalter Tee und heiße Kuesse
einziges Mal nach Lenas Bedürfnissen und Wünschen gefragt. Irgendwann dachte sie sogar, das sei ganz normal – weil sie es ja nicht anders kannte. Und dann kam Magnus.
Doch es ist nicht nur der Sex, sinnierte sie weiter. Die Arbeit mit ihm macht einfach richtig Spaß. Sie musste daran denken, wie er sich immer mit der Hand durch die Haare fuhr, wenn er die Hundebilder ansah, oder wie er ihre Texte aufmerksam durchlas, um schließlich genau die Details zu loben, die sie selbst wahnsinnig gelungen fand. Und mit Fabrizio kam er auch gut klar …
„Du siehst gerade eben richtig glücklich aus“, meinte Fabrizio.
„Ich sehe glücklich aus? Wie kommst du denn darauf?“ Lena schaute ihn fragend an. „Wie ich darauf komme? Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass du eben gerade an Magnus gedacht hast.“
„Habe ich nicht.“
„Hast du wohl.“
„Nein. Du spinnst.“
„Nein. Du spinnst.“
„Ist ja auch egal.“
„Wenn du meinst.“ Fabrizio schüttelte den Kopf. „Hier ist unser Hotel. Sieht das nicht süß aus? Romantisch!“
Das Hotel war wirklich schön. Ein mindestens vierhundert Jahre altes Gebäude, etwas windschief und mit Fachwerk. In der Eingangshalle hingen alte Stillleben, und es gab sogar eine Ritterrüstung. Und schöne alte Teppiche auf dem knarzenden Dielenboden. Von der Decke baumelte ein uralter Lüster. Wie sich herausstellte, hatte Fabrizio die Hochzeitssuite gebucht. Eine ungefähr hundert Jahre alte Frau brachte sie ins oberste Stockwerk und überreichte ihnen dann schmunzelnd den Schlüssel. Sobald Lena die Suite betrat, verschlug es ihr fast den Atem.
„Oh“, hauchte sie nur und ging langsam durch die beiden Räume. „Oh!“
„Ist das schön.“ Fabrizio freute sich und trat ans Fenster. „Mit Blick auf den Rhein.“
Das Schlafzimmer bestand aus einem übergroßen Himmelbett, der Baldachin, die Vorhänge und die Bettwäsche waren aus reiner, blütendurchwirkter Seide. Einige Engel mit Trompeten und Amors Pfeil tummelten sich auch auf dem Stoff, was irgendwie gar nicht kitschig, sondern genau richtig aussah. In einer Ecke befand sich eine Frisierkommode aus Rosenholz mit einem ovalen Spiegel. Sie war passenderweise so aufgestellt, dass man sich vom Bett aus darin beobachten konnte. Ein alter Teppich mit Jagdmotiven lag in der Mitte. Die Wände waren mit Seidentapeten in Zartrosa bespannt. Dann gab es noch eine Chaiselongue in Bordeauxrot, und die Vorhänge am Fenster waren in der gleichen Farbe gehalten, aus schwerem Samt mit goldenen Troddeln. Auf dem kleinen antiken Tisch vor der Chaiselongue stand eine Flasche Champagner in einem Eiskühler und eine große silberne Schale mit Obst. Das Wohnzimmer war ganz in Grünfarben eingerichtet. Zwei dunkelgrüne Sofas standen sich gegenüber, der Fernsehapparat war in einem alten Rollschrank untergebracht. Hier waren die Wände ebenfalls mit Seide tapeziert, in einem frischen Lindgrün. Dann gab es noch eine handbemalte alte Truhe, auf der die Jahreszahl 1567 stand. Und dann das Badezimmer! Hier war alles türkis, kobaltblau und golden. In der überdimensionalen Badewanne befand sich ein integrierter Whirlpool. Es war einfach wunderwunderschön!
„Zu schade“, meinte Fabrizio, der ihr gefolgt war.
„Was ist schade?“ Lenas Augen leuchteten. „Das ist doch ein Traum hier.“
„Mit ‚zu schade‘ meinte ich die Tatsache, dass wir beide leider nicht in den Genuss kommen werden, diese Suite so zu bewohnen, wie es eigentlich sein müsste.“ Er deutete durch die offene Badezimmertür auf das große Himmelbett. „Na ja, kuscheln können wir ja trotzdem“, er lachte Lena an, „und jetzt müssen wir uns langsam umziehen. Die Burg ruft!“
Das ließ sich Lena nicht zwei Mal sagen. Sie holte ihr Beautycase aus dem Koffer und begann, sich zurechtzumachen.
Magnus betrachtete sich im Spiegel. Ihm war schlecht. Er konnte doch unmöglich so gehen. Der schwarze Latexanzug war so eng, dass er kaum atmen konnte. Er schwitzte schrecklich. Wenigstens ließen sich diese Reißverschlüsse öffnen. Er fächelte sich Luft zu. Neben ihm stand Kai in diesem Hundekostüm. Die Schlappohren hingen ihm fast bis auf die Schultern herab. Wir sehen einfach hochgradig lächerlich aus, dachte Magnus böse. Wenigstens würde ihn Lena in diesem Aufzug ganz sicher nicht erkennen, und das war ja der Sinn und Zweck dieses Maskenballs. Was Fabrizio dort wohl vorhatte? Er hatte nur in Rätseln gesprochen. Er müsste unbedingt dahin kommen, auf der
Weitere Kostenlose Bücher