Kalter Tod
Sicherheitssystem. Die Kamera war zwar an der Decke angebracht, aber sobald sich Reid vorbeugte, um die Kombination des Safes einzutippen, versperrte er der Kamera die Sicht auf das, was er tat.
Selbst wenn jemand Kent beobachtet hatte, als er um 19 Uhr den Safe öffnete, hätte Kent vor dieser Person problemlos verbergen können, was er aus dem Safe nahm.
Keine Minute nach Betreten des Saferaums kamen die zwei Männer in Schutzanzügen wieder nach draußen. Brenner stand auf. Die Männer klappten ihre Visiere hoch, und Reid sah Brenner an. Er schüttelte den Kopf.
»Der Safe ist leer«, sagte er.
Brenner holte das Handy heraus. Doch bevor er eine Nummer wählen konnte, trat Reid auf ihn zu und hielt ihm einen aus einem Spiralblock gerissenen Zettel hin.
»Das ist alles, was drinnen war«, sagte er.
Bosch sah über Brenners Schulter auf den Zettel. Die Nachricht darauf war mit Tinte geschrieben und nur mit Mühe zu entziffern. Brenner las sie laut vor.
»Ich werde beobachtet. Wenn ich nicht tue, was Sie sagen, bringen sie meine Frau um … zweiunddreißig Quellen, Caesium … Gott sei mir gnädig. Ich hatte keine Wahl.«
7
Bosch und die anderen Männer standen schweigend da. Das Gefühl von elementarer Bedrohung, das über dem Onkologie-Labor lag, ließ sich fast mit Händen greifen. Eben hatten sie Gewissheit erhalten, dass Stanley Kent 32 Caesium-Kapseln aus dem Safe des St.-Agatha-Krankenhauses genommen und dann aller Wahrscheinlichkeit nach unbekannten Personen ausgehändigt hatte, die ihn dann auf dem Mulholland-Aussichtspunkt erschossen hatten.
»Zweiunddreißig Kapseln Caesium«, sagte Bosch. »Wie viel Schaden kann man damit anrichten?«
Brenner sah ihn mit düsterer Miene an.
»Da müssten wir die Wissenschaftler fragen, aber ich würde sagen, mehr als genug. Wenn uns damit jemand eine Nachricht übermitteln will, könnte sie schwerlich deutlicher sein.«
Plötzlich fiel Bosch etwas ein, was in Widerspruch zu den bisher bekannten Fakten stand.
»Augenblick«, sagte er. »Stanley Kents Messring hat keinerlei Strahlenbelastung angezeigt. Wie konnte er hier so viel Caesium rausschaffen, ohne dass sämtliche Warnlichter angingen?«
Brenner schüttelte den Kopf.
»Offenbar hat er eine Sau verwendet.«
»Eine was?«
»Der Behälter, in dem radioaktives Material transportiert wird, wird gängig Sau genannt. Er sieht mehr oder weniger aus wie ein bleierner Wischeimer auf Rädern. Mit einem Verschluss oben drauf natürlich. Ziemlich schwer das Ding und dicht über dem Boden gebaut – wie eine Sau. Deshalb heißt es Sau.«
»Und mit so einem Ding konnte er hier einfach rein- und rausgehen?«
Brenner deutete auf das Klemmbrett auf dem Schreibtisch.
»Krankenhausinterne Transporte von radioaktivem Material zur Krebstherapie sind nichts Ungewöhnliches. Er hat zwar nur eine einzige Quelle eingetragen, aber alle mitgenommen. Das war das einzig Ungewöhnliche. Aber wer hätte die Sau schon öffnen und darin nachsehen sollen?«
Bosch musste an die Einkerbungen im Kofferraumboden des Porsche denken. Im Auto war etwas Schweres befördert und dann herausgenommen worden. Jetzt wusste Bosch, was es gewesen war, und es war nur eine weitere Bestätigung des denkbar schlimmsten Szenarios.
Bosch schüttelte den Kopf. Brenner dachte, es bezöge sich auf die laxen Sicherheitsvorkehrungen im Labor.
»Nur damit Sie es wissen«, sagte der FBI-Agent. »Bevor wir hier letztes Jahr angerückt sind und ihre Sicherheit auf Vordermann gebracht haben, hätte jeder in einem weißen Kittel reinkommen und sich aus dem Safe nehmen können, was er wollte. Von irgendwelchen Sicherheitsvorkehrungen konnte überhaupt keine Rede sein.«
»Mein Kopfschütteln bezog sich nicht auf die Sicherheit. Ich …«
»Ich muss mal telefonieren«, sagte Brenner.
Er entfernte sich von der Gruppe und holte sein Handy heraus. Bosch beschloss, ebenfalls einen Anruf zu machen. Er fischte sein Handy aus der Tasche, zog sich in eine Ecke zurück und rief seinen Partner an.
»Ignacio, ich bins. Ich wollte mich nur mal melden.«
»Nennen Sie mich Iggy, Harry. Wie sieht’s bei Ihnen aus?«
»Nicht gut. Kent hat den Safe ausgeräumt. Das ganze Caesium ist weg.«
»Soll das ein Witz sein? Ist das das Zeug, mit dem man eine schmutzige Bombe bauen kann?«
»Ganz richtig, und wie es aussieht, hat er seinen Mördern genügend davon ausgehändigt, damit diese genau das tun können. Sind Sie noch am Tatort?«
»Ja, und hören Sie, ich habe hier
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