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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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meisten anderen kriminalpolizeilichen Dezernaten der Stadt gab es längst Abteile mit Schall- und Sichtabtrennungen, aber im Parker Center wurde wegen des bevorstehenden Abbruchs kein Geld mehr für irgendwelche Verbesserungen ausgegeben.
    Weil Bosch und Ferras die jüngsten Neuzugänge der Einheit waren, befand sich ihr Schreibtischtandem am Ende einer Reihe in einer fensterlosen Ecke, wo nicht nur die Luftzirkulation schlecht war, sondern wo sie auch bei einem Notfall wie etwa einem Erdbeben am weitesten vom Ausgang entfernt waren.
    Boschs Arbeitsplatz war sauber und ordentlich, genau so, wie er ihn hinterlassen hatte. Auf dem gegenüberstehenden Schreibtisch seines Partners lagen ein Rucksack und eine Beweismitteltüte. Er fasste über seinen Schreibtisch, um nach dem Rucksack zu greifen. Er öffnete ihn und stellte fest, dass er hauptsächlich Kleidung und andere persönliche Gegenstände enthielt, die dem potenziellen Zeugen gehörten. Neben einem Buch mit dem Titel Bleakhaus von Charles Dickens befand sich auch ein Beutel mit Zahnbürste und Zahnpasta darin. Alles in allem die schäbigen Habseligkeiten einer schäbigen Existenz.
    Bosch legte den Rucksack an seinen Platz zurück und griff nach der Beweismitteltüte. Sie enthielt einen kleinen Betrag amerikanischer Dollar, einen Schlüsselbund, eine dünne Geldbörse und einen kanadischen Pass, außerdem einen »Homes of the Stars«-Faltplan, wie man ihn in Hollywood an jeder Straßenecke kaufen konnte. Bosch faltete ihn auseinander und suchte nach dem Aussichtspunkt am Mulholland Drive über dem Lake Hollywood. Links neben der Stelle war ein schwarzer Stern mit der Zahl 23 darin. Er war mit einem Filzstift eingekreist. Bosch sah im Index des Stadtplans nach, und unter Stern Nummer 23 stand: Madonnas Wohnsitz in Hollywood.
    Der Stadtplan war offensichtlich nicht aktualisiert worden, und Bosch vermutete, dass nur wenige der Sterne und die dazugehörigen Star-Adressen richtig waren. Das erklärte, warum sich Jesse Mitford in einer Villa herumgetrieben hatte, in der Madonna gar nicht mehr wohnte.
    Bosch faltete den Plan wieder zusammen, steckte alle Habseligkeiten wieder in die Beweismitteltüte und legte sie auf den Schreibtisch seines Partners zurück. Dann nahm er einen Block und ein Verzichterklärungsformular aus einer Schublade und stand auf, um zu Vernehmungszimmer zwei zu gehen, das sich in einem Flur befand, der vom hinteren Ende des Bereitschaftsraums abging.
    Jesse Mitford wirkte jünger als er war. Er hatte dunkles lockiges Haar und elfenbeinweiße Haut. An seinem Kinn sprossen ein paar Barthaare, die aussahen, als hätte er sein ganzes Leben dazu gebraucht, sie wachsen zu lassen. Ein Nasenflügel und eine Augenbraue waren mit jeweils einem Silberring gepierct. Er machte einen wachen, aber verängstigten Eindruck und saß in dem kleinen Vernehmungszimmer an einem kleinen Tisch. Es roch nach Körperausdünstungen. Mitford schwitzte, was natürlich beabsichtigt war. Bevor er das Zimmer betreten hatte, hatte Bosch einen kurzen Blick auf den Thermostat im Flur geworfen. Ferras hatte die Temperatur im Vernehmungszimmer auf 28 Grad gestellt.
    »Und, wie geht’s, Jesse?«, fragte Bosch, als er auf dem freien Stuhl ihm gegenüber Platz nahm.
    »Ähm, nicht so gut. Ziemlich heiß hier drinnen.«
    »Tatsächlich?«
    »Sind Sie mein Anwalt?«
    »Nein, Jesse, ich bin Ihr Detective. Mein Name ist Harry Bosch. Ich bin Detective beim Morddezernat und für den Fall oben am Aussichtspunkt zuständig.«
    Bosch legte seinen Block auf den Tisch und stellte den Kaffeebecher daneben. Er stellte fest, dass Mitford noch Handschellen trug. Ein geschickter Schachzug Ferras’. So blieb der Junge verängstigt, durcheinander und beunruhigt.
    »Ich habe dem mexikanischen Detective gesagt, ich will nicht mehr reden. Ich will einen Anwalt.«
    Bosch nickte.
    »Er ist kubanisch-amerikanischer Herkunft, Jesse. Und Sie kriegen keinen Anwalt. Anspruch auf einen Anwalt haben nur amerikanische Staatsbürger.«
    Das stimmte zwar nicht, aber Bosch setzte darauf, dass das der 20-Jährige nicht wusste.
    »Sieht nicht gut aus für Sie«, fuhr er fort. »Es ist eine Sache, einer alten Freundin nachzustellen. Aber bei einem Prominenten ist das was anderes. Das hier ist eine Prominentenstadt in einem Prominentenland, Jesse, und wir passen gut auf unsere Leute auf. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen oben in Kanada ist, aber die Strafen für das, was Sie heute Abend gemacht haben, sind ziemlich

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