Kalter Tod
Kamera sah nicht kaputt oder schmutzig aus. Sie sah nagelneu aus.
Bosch versuchte die Tür, sie war nicht abgeschlossen. Ihm wurde klar, dass Gonzalves keinen Gedanken mehr an seinen Pick-up und seine Habseligkeiten verschwendet hatte, als sich das Caesium durch seinen Körper zu brennen begann. Er war einfach ausgestiegen und zum Parkplatz gewankt, um dort Hilfe zu holen, und hatte das Auto unabgeschlossen zurückgelassen.
Bosch öffnete die Fahrertür und hielt das Strahlenmessgerät ins Wageninnere. Es passierte nichts. Kein Alarm. Er richtete sich wieder auf und befestigte das Gerät an seinem Gürtel. Dann zog er ein Paar Gummihandschuhe aus der Tasche, und während er sie sich überstreifte, hörte er, wie Walling jemandem erzählte, dass sie die Sau gefunden hatten.
»Nein, wir haben sie nicht geöffnet«, sagte sie. »Sollen wir das?«
Sie hörte eine Weile zu, bevor sie antwortete.
»Das dachte ich eigentlich nicht. Sehen Sie nur zu, dass sie so schnell wie möglich herkommen. Vielleicht ist dann ja alles vorbei.«
Bosch beugte sich wieder durch die Fahrertür ins Führerhaus und griff nach der Kamera. Es war eine Nikon Digitalkamera, und er musste an den Objektivdeckel denken, auf dem Nikon gestanden hatte und den die Spurensicherung im Haus der Kents unter dem Bett gefunden hatte. Er glaubte, die Kamera in Händen zu halten, mit der das Foto von Alicia Kent aufgenommen worden war. Er machte sie an, und ausnahmsweise wusste er, was er zu tun hatte, als er das elektronische Gerät untersuchte. Er hatte selbst eine Digitalkamera, die er immer mitnahm, wenn er nach Hongkong flog, um seine Tochter zu besuchen. Er hatte sie gekauft, als er mit ihr in Disneyland China gewesen war.
Seine Kamera war zwar keine Nikon, aber er stellte trotzdem rasch fest, dass in der Kamera, die er gerade gefunden hatte, keine Fotos gespeichert waren, weil der Chip herausgenommen worden war.
Bosch legte die Kamera beiseite und begann, die Gegenstände durchzusehen, die auf dem Beifahrersitz lagen. Außer der kaputten Brieftasche waren dort eine Kinder-Lunchbox, eine Bedienungsanleitung für einen Apple-Computer und ein Schürhaken von einem Kaminset. Nichts weckte sein Interesse oder irgendwelche Assoziationen. Auf dem Boden unter dem Sitz lagen ein Putter und ein zusammengerolltes Poster.
Bosch schob die braune Tüte mit dem Burrito darauf beiseite und stützte sich mit einem Ellbogen auf die Armlehne zwischen den Sitzen, um das Handschuhfach öffnen zu können. Bis auf eine Handfeuerwaffe war es leer. Bosch nahm die Waffe heraus und wendete sie in seiner Hand. Es war ein Smith & Wesson-Revolver, Kaliber 22.
»Ich glaube, hier haben wir die Mordwaffe«, rief er.
Von Walling kam keine Reaktion. Sie telefonierte noch am Heck des Pick-up und erteilte mit aufgeregter Stimme Befehle.
Bosch legte den Revolver ins Handschuhfach zurück und schloss es; er hielt es für besser, ihn für die Spurensicherung an Ort und Stelle zu lassen. Sein Blick fiel wieder auf das zusammengerollte Poster, und aus nichts anderem als purer Neugier beschloss er, es sich anzusehen. Sich mit dem Ellbogen auf die Armlehne in der Mitte stützend, entrollte er es auf dem Kram, der auf dem Beifahrersitz lag. Es war ein Schaubild mit zwölf Yogastellungen.
Bosch musste sofort an die rechteckige Verfärbung denken, die er an der Wand des Fitnessraums im Haus der Kents gesehen hatte. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte, die Maße des Posters entsprachen in etwa dem der Verfärbung an der Wand. Rasch rollte er das Poster wieder zusammen und zog sich aus dem Führerhaus zurück, um Walling seine Entdeckung zu zeigen.
Dabei merkte er, dass die Armlehne zwischen den Sitzen ebenfalls ein Fach enthielt. Er hielt inne, um es zu öffnen.
Und erstarrte mitten in der Bewegung. In dem Fach befand sich ein Becherhalter, der mehrere Stahlkapseln enthielt, die aussahen wie an beiden Enden abgeflachte Patronenhülsen. Der Stahl war so stark poliert, dass er fast wie Silber aussah. Er hätte sogar für Silber gehalten werden können.
Bosch kreiste mit dem Strahlenmessgerät über den Kapseln. Kein Alarm. Er drehte das Gerät in seiner Hand und sah es an. An der Seite befand sich ein kleiner Schalter, den er mit dem Daumen hochschob. Im selben Moment ging ein durchdringender Alarm los. Die Warnsignale ertönten in so rascher Aufeinanderfolge, dass sie sich wie ein langer ohrenbetäubender Sirenenton anhörten.
Bosch sprang aus dem Führerhaus und warf die Tür
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