Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Ich dachte, wir könnten zur Abwechslung mal zu deiner Oma fahren. Wie hört sich das an?«
»Gut«, antwortete sie, nachdem sie den Vorschlag sorgfältig geprüft hatte.
Jón lenkte den Lieferwagen auf die Hauptstraße, und das Werkzeug hinten im Wagen klirrte.
»Das gefällt mir.«
»Was denn, Liebes?«
»Ich fahre gerne in deinem Arbeitsauto. Es ist mehr lustig als in deinem anderen Auto.«
»Nicht mehr lustig. Lustiger …«
»Ist doch egal. Das Auto ist größer, und es riecht anders.«
Inzwischen fuhr er nur noch in dem Lieferwagen, aber das sagte Jón ihr nicht. Er wusste nicht, wie er ihr erklären sollte, dass ihm sein Jeep schon seit einem Monat nicht mehr gehörte.
Gunna hatte sich schnell wieder daran gewöhnt, in der Kantine zu essen. Während ihrer Zeit bei der Polizei in Reykjavík war die Kantine für sie eine feste Einrichtung gewesen, wo sich alle Polizisten täglich getroffen hatten.
Sie lud sich zwei Lammkoteletts auf ihren Teller, fügte eine Kartoffel und ein wenig Salat hinzu und verzichtete auf die Soße. Dann trug sie ihr Tablett zu Eiríkur hinüber, der vor seinem leer gegessenen Teller saß und Kaffee trank.
»Das kommt davon, wenn man zu spät ist«, sagte sie und schob die Kartoffel zur Seite, die offensichtlich bereits kalt gewesen war.
»In Svana Geirs Wohnung gab es kein Telefon, oder, Chefin?«, fragte Eiríkur.
»Nein, ich glaube nicht.«
»Das ist es, was fehlt. Kein Telefon. Jemand wie Svana Geirs muss ein Handy oder ein Blackberry gehabt haben. Es kann gar nicht anders sein – jeder hat heutzutage so ein Ding. Sogar mein Dad hat ein Handy, und er ist der altmodischste Mensch auf der Welt.«
Eiríkur erwähnte seine Eltern nur selten, aber Gunna wusste, dass sein Vater Pfarrer war und Eiríkur mehrere bedeutend ältere Geschwister hatte. Manchmal wunderte sie sich, wie seine Eltern es akzeptierten konnten, dass er mit seiner Freundin ein kleines Kind hatte, aber nicht verheiratet war.
»Das mit dem Handy ist ein wichtiger Gedanke«, sagte Gunna.
»Sie muss ein Handy gehabt haben. Wenn die Leute heutzutage einen Festnetzanschluss haben, ist der normalerweise nur für den Internetzugang. Außerdem läuft in der heutigen Zeit nichts mehr ohne Mobiltelefon. Wo also ist Svanas Handy?«
»Hast du eine Nummer von ihr?«
»Nein. Aber ich fange heute Mittag an, ihre Freunde zu befragen, und da bekomme ich bestimmt was raus. Wenn wir das Telefon finden würden, hätten wir Zugriff auf jede Menge Informationen darüber, wo sie an dem Tag war.«
»Dann mach mal. Lass mich wissen, was du herausfindest«, sagte sie und schob ihren Teller zur Seite. Sie hatte ein Kotelett und fast den ganzen Salat gegessen.
***
»Mein Gott! Direkt nebenan!«
Svana Geirs Nachbarin war allein zu Hause und freute sich anscheinend über den Besuch, als Gunna und Eiríkur bei ihr klingelten. Sie war eine winzige, puppenhafte Frau, die sich sehr modebewusst und lässig kleidete.
»Ich meine … Svana. Es ist …« Sie verhaspelte sich, suchte nach den richtigen Worten und gab es schließlich auf. Stattdessen machte sie eine verzweifelte Handbewegung.
»Es muss ein Schock für dich gewesen sein«, sagte Gunna.
»Meine Güte! Natürlich! Ich weiß, dass wir hier im Zentrum von Reykjavík wohnen, und man damit rechnen muss, dass … äh …«
»Dass es manchmal Randale gibt?«, beendete Gunna den Satz für sie.
»Ja. Randale und dass es lebhaft zugeht. So ist es. Aber mein Gott.« Sie ließ sich auf ein Plüschsofa sinken. Gunna entschied sich für einen der Stühle, die um einen langen Esstisch gruppiert waren. Der Raum war makellos sauber und absolut ordentlich. Gunna sah sich mit geschultem Blick um, alles war vom Feinsten, angefangen bei den minimalistischen Gemälden an der Wand bis hin zu den schweren Dekorationsstücken aus Kristall und dem riesigen Fernsehbildschirm, der eine Wand des Raumes einnahm. Sie legte ihre Unterlagen vor sich auf den Tisch und schlug den Ordner auf.
»Also gut. Bist du Arna Arnarsdóttir?«
»Die bin ich«, antwortete sie leicht affektiert.
»Mein Kollege Eiríkur Thór.« Gunna warf ihm einen Blick zu. Er war halb im Sofa versunken. »Mein Kollege hat gestern schon mit dir gesprochen, und du hast uns gesagt, dass du einige der Leute, die in Svanas Apartment ein- und ausgingen, kanntest. Ist das richtig?«
»Ja, ja! Einen habe ich gestern Abend noch im Fernsehen gesehen«, antwortete sie aufgeregt.
»Wer war das?«
»In den Nachrichten!«
»Auf RÚV
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