Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Geirs hat zwei Nummern, aber beide sind seit Monaten nicht mehr benutzt worden. Und dann gibt es noch die Nummer, die ich aus Högni rausbekommen habe.«
»Und?«
»Es gibt einen Handy-Vertrag dazu, alle Rechnungen sind bezahlt, und er ist auf den Fit Club registriert. Ich habe eine Handy-Ortung beantragt, und nach Angaben der Telefongesellschaft ist das Gerät noch eingeschaltet. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Apartments und hat die Funkzelle nicht verlassen. Zumindest ist es die ganze Zeit beim selben Funkmast eingeloggt. Und um deiner Frage zuvorzukommen, nein, es meldet sich niemand.«
»Das war schnelle Arbeit. Gut gemacht. Was hältst du davon?«
»Keine Ahnung«, sagte Helgi nach kurzem Schweigen. »Es könnte noch in der Wohnung sein, aber sie ist gründlich durchsucht worden. Oder irgendwo ganz in der Nähe. Vielleicht hat der Mörder es mitgenommen und in einen Mülleimer geworfen?«
»Oder es ist irgendwo versteckt worden, wo es kaum auffindbar ist«, sagte Gunna.
»Ich weiß nicht. Wenn jemand es loswerden wollte, hätte er es doch zuerst ausgeschaltet oder einfach die SIM-Karte herausgenommen und zerstört – und nicht das Telefon eingeschaltet irgendwo liegen lassen.«
»Vielleicht hat der Mörder auch eine falsche Spur gelegt«, meinte Gunna nachdenklich.
Der Fit Club war kleiner, als seine Website vermuten ließ, aber Gunna fühlte sich dort sofort unwohl. Das Gebäude stand eingequetscht zwischen den Häuserblocks eines Wohngebiets aus den Sechzigerjahren. Die kurze Straße, die von der Glasfassade des Clubs beherrscht wurde, war mit schlampig geparkten Autos zugestellt. Gunna spähte durch die Scheiben und sah, dass einige Laufbänder belegt waren. Statt der strahlenden jungen Dinger aus der Werbung des Fit Club s mühten sich Frauen mittleren Alters darauf ab, die wohl einige Pfunde loswerden wollten.
»Ist Agnar Arnalds da?«, fragte Gunna das zierliche blonde Mädchen am Tresen.
»Äh. Wer bist du denn?«, fragte das Mädchen zurück. Gunna fragte sich, ob sie tatsächlich dünner war als die traurige Yucca-Palme in dem Topf neben dem Tisch.
»Polizei.«
Gunna zückte schnell ihren Dienstausweis.
»Tut mir leid. Es kommen öfter ältere Damen, die nach ihm fragen«, erwiderte das Mädchen entschuldigend. Sie drückte auf einen Knopf der Gegensprechanlage, die aber nur eine Fehlermeldung von sich gab. »Sie funktioniert nicht. Warte einen Moment, ich sehe mal nach. So früh ist er sonntags nicht immer da.«
»Älter?«, murmelte Gunna vor sich hin, als das Mädchen durch eine Tür hinter dem Tresen verschwand. Sie nutzte die Gelegenheit, um den Empfangsbereich genauer unter die Lupe zu nehmen. Außer einem abgenutzten Telefonapparat und einem Mikrofon gab es nicht viel zu sehen. In einem offenen Notizbuch waren handschriftliche Telefonnummern zu erkennen, und einige Kaugummipäckchen und Zigarettenschachteln waren vor neugierigen Blicken verborgen worden.
»Guten Morgen. Du bist sicher nicht hier, um Mitglied zu werden, oder doch?«
Der Mann war leise hinter ihr aufgetaucht, während das Mädchen wieder seinen Platz einnahm.
»Nein, weit gefehlt«, antwortete Gunna. »Bist du Agnar?«
»Der bin ich.«
Er streckte eine kräftige Hand aus, und die Andeutung eines Lächelns verriet, dass er den Grund ihres Besuchs kannte.
»Gunnhildur Gísladóttir, Dezernat für Gewaltverbrechen. Es geht um Svana Geirs, aber das hast du dir bestimmt schon gedacht.«
»Ja. Komm mit.«
Agnar Arnalds war mehr als zwei Meter groß, und seine welligen, glänzenden Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Anerkennend betrachtete Gunna den breiten, muskulösen Rücken des Mannes, der immer zwei Stufen auf einmal nahm. Das Büro des Fit Clubs stand in bemerkenswertem Kontrast zu den Massivholzböden und den deckenhohen Spiegeln im Trainingsbereich. Der Raum war mit billigen Möbeln aus Pressspan ausgestattet, und Gunna vermutete, dass es mindestens zehn Jahre her war, seit er zuletzt einen Malerpinsel gesehen hatte. Mit einer Handbewegung bot Agnar ihr einen Stuhl an, setzte sich aber selbst auf den Schreibtisch und stellte die Füße auf einen Stuhl. Gunna beschloss, lieber stehen zu bleiben, statt von dem Mann turmhoch überragt zu werden.
»Ich bin wegen Svana hier«, wiederholte sie. Wie auf Knopfdruck wurde sein Gesichtsausdruck melancholisch, seine Schultern sanken nach vorne, und sein Lächeln verschwand.
»Die arme Svana«, seufzte er. »Sie war ein wunderbarer Mensch. So voller
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