Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Kopfnicken zur Kenntnis, dass ihre Mutter nach Hause gekommen war, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf eine Fernsehkomödie richtete.
»Hattest du einen guten Tag?«, erkundigte sich Steini. »Wir haben gedacht, du wärst nur für ein oder zwei Stunden weg.«
»Es war ein verdammt langer Tag, ich weiß nicht mehr, wie vielen Leuten ich auf die Zehen getreten bin.«
»Dann war es also ein erfolgreicher Tag«, kommentierte Steini grinsend. »Wir haben dir das Abendessen aufgehoben. Hühnchen und so.«
»Ist es scharf?«
»Oh ja.«
»Werde ich einen Liter Milch dazu trinken müssen?«
»So scharf nun auch wieder nicht.«
»Dann ist es ja gut.«
Gunna hörte durch die Badezimmertür, wie die Zehn-Uhr-Nachrichten im Fernsehen begannen, während das heiße Wasser die Schmerzen des Tages wegspülte. In ein großes Handtuch gehüllt tauchte sie in der Küche auf. Laufey saß am Küchentisch, und ein dampfender Teller wartete auf Gunna. Steini waren die Augen zugefallen, sein Buch lag in seinem Schoß. Die Arbeit war zum Glück weit weg von Hvalvík. Nur gelegentlich war in der Ferne ein Auto zu hören, das die Stille unterbrach.
»Wie war’s in der Schule?«, fragte Gunna.
»Nicht übel, eigentlich wie immer. Mum, ich habe heute bei Sigrún zu Mittag gegessen, sie ist immer noch sauer auf Jörundur.«
»Naja, das ist verständlich. Es kann einen schon umhauen, wenn Vertrauen derart missbraucht wird.«
Laufey nickte langsam. »Ist dir das auch passiert, Mum?«, fragte sie leise. »Mit Gíslis Dad?«
Ein Schauer lief Gunna den Rücken hinunter, als sie die Frage hörte, mit der sie schon seit Jahren gerechnet hatte. Instinktiv drehte sie sich um, um zu sehen, ob Steini wach war.
»So ähnlich. Gíslis Dad ist ein eigenartiger Mensch. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich glaube, nicht mehr, seit Gísli ungefähr zehn war. Wie haben nie zusammengelebt, wir waren nur eine kurze Zeit zusammen und haben uns nicht besonders gut verstanden. Er hat mich also nicht betrogen, wie das jetzt bei Sigrún der Fall ist. Es war tausendmal schlimmer, als wir deinen Vater verloren haben, meine Süße.«
»Ich glaube, Gísli hat seinen Dad vor Kurzem getroffen.«
»Bist du sicher?« Gunna erschrak kurz, dann ermahnte sie sich, vernünftig zu sein. »Es gibt keinen Grund, warum er ihn nicht sehen sollte, wahrscheinlich ist es sogar gut. Er ist ein großer Junge und muss mich nicht mehr wegen allem um Erlaubnis fragen.«
Laufey gähnte.
»Du solltest bald schlafen gehen, junge Dame«, bemerkte Gunna. »Hast du alle Hausaufgaben erledigt?«
»Ja. Steini hat mir bei Mathe geholfen. Es ist ganz leicht, wenn man sich auskennt mit diesem Kosinus und so weiter«, sagte sie, stand auf und versuchte ein weiteres Gähnen zu unterdrücken.
»Kannst du das bitte in die Spülmaschine räumen?«, bat Gunna und gab ihr den Teller und die Gabel. »Ich muss auch ins Bett.«
Laufey verschwand in ihrem Zimmer, und Gunna löschte das Küchenlicht. Als sie im Wohnzimmer stand, blickte sie auf Steini hinunter und legte ihm sanft einen Finger auf die Nasenspitze. Er schlug die Augen auf.
»Ich bin völlig ausgepumpt, ich denke, es ist Zeit fürs Bett.«
»Das musst du mir nicht zweimal sagen«, meinte er und erwiderte ihr Lächeln.
Gunna streckte sich in der Dunkelheit aus. Ihre Zehen kribbelten vor lauter Müdigkeit. Steini legte sich wohlig seufzend neben sie. Er streckte die Hand aus und streichelte sanft ihren Oberschenkel. Sie legte ihre Hand auf seine, um ihn zu ermutigen, als plötzlich das Handy auf dem Boden neben dem Bett klingelte und vibrierte.
»Verdammt!«, fluchte sie und tastete in der Dunkelheit danach. »Was gibt’s?«, blaffte sie ungehalten.
»Hast du es dir schon mit Steini gemütlich gemacht, altes Mädchen?«
»Bjössi, es ist mir immer ein Vergnügen, von dir zu hören. Ja, ich bin im Bett, ich bin seit sechs heute Morgen auf den Beinen gewesen.«
»Dann solltest du wieder aufstehen, Darling. Draußen am Flughafen ist jemand, mit dem du sicher reden möchtest.«
***
»Warum wolltest du so plötzlich weg, und warum hattest du so viel Geld bei dir?«
»Es gab nichts als Schwierigkeiten«, erwiderte Bjarki Steinsson in verzweifeltem Ton. Seine Stimme hallte in dem kahlen Besprechungsraum des internationalen Flughafens in Keflavík wider. »Es wurde immer schlimmer. Ich bekam ständig Anrufe und SMS.«
»Was für Anrufe und SMS?«
»Forderungen nach mehr Geld, immer mehr Geld. Drohungen, dass
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