Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
weißt ja, wie Jörundur ist. Er würde viel zu viel trinken.«
»Ich verstehe. Was ist mit deiner Arbeit?«
»Das ist kein Problem. Die Gemeinde muss dringend die Lohnkosten senken – sie konnten es kaum erwarten, mir zu sagen, dass ich ein Jahr unbezahlten Urlaub nehmen kann, wann immer ich will.«
»Also könntest du deine Arbeit zurückhaben, wenn du möchtest?«
»Genau. Die Arbeit läuft nicht davon. Die Leute bekommen weiterhin Kinder, Kindergärtnerinnen werden immer gebraucht.«
Gunna füllte sich Kaffee nach, diesmal, ohne ihre Taschen abzuklopfen.
»Der Bedarf wird eher noch steigen. Es scheint immer mehr schwangere Frauen zu geben. Man sollte meinen, dass die Rezession die Menschen davon abhalten würde, Kinder in die Welt zu setzen, aber offensichtlich ist genau das Gegenteil der Fall.«
»In harten Zeiten muss man etwas finden, um sich aufzuheitern«, meinte Sigrún, und endlich erschien auf ihrem runden Gesicht wieder ein Grinsen. »Nichts geht über diese Art des Amüsements. Isst du mit uns? Es ist genug Fisch für alle da.«
Plötzlich ging die Hintertür auf und knallte gegen die Wand, als der Wind sie erfasste.
»Mum! Stell dir vor!«, rief Laufey, während sie den Kinderwagen mit dem glucksenden Kleinkind durch die Tür bugsierte.
»Hallo, Schätzchen. Was soll ich mir vorstellen?«
»Hat Sigrún es dir nicht erzählt? Sie ziehen nach Norwegen, und sie hat gesagt, wir können uns um Krummi kümmern.«
Gunna seufzte.
»In Ordnung, junge Dame«, sagte sie und versuchte, ernst zu bleiben. »Aber du musst dich um ihn kümmern. Und ich finde immer noch, dass Krummi ein lächerlicher Name für ein Kaninchen ist.«
***
Jón lag in der Dunkelheit und konnte nicht schlafen. Das Sofa war nicht so bequem, wie es ausgesehen hatte, aber es war immer noch besser, als in der Werkstatt zu übernachten. Am Nachmittag hatte er mit dem Gedanken gespielt, Benzin im Haus zu verteilen und ein Streichholz dranzuhalten, bevor er dem Vertreter der Bank, einem silberhaarigen Mann im langen Mantel, die Schlüssel übergeben hatte. Der Mann hatte es offensichtlich ehrlich bedauert, seine Aufgabe erledigen zu müssen.
Das Sofa gehörte Jóns jüngerem Halbbruder Samúel, einem Gymnasiallehrer in den Zwanzigern. Während der Woche bewohnte sein Halbbruder die Wohnung allein, aber an den Wochenenden teilte er sie mit seinem Freund, der auch Lehrer war und jeden Freitagabend fröhlich von der Arbeit in einem Ort ein paar Stunden östlich von Reykjavík hierhin zurückkehrte.
Jón war wesentlich älter als Sammi, sodass sie in der Jugend nicht wirklich viel Zeit miteinander verbracht hatten. Sammi war das späte und ungeplante Ergebnis der zweiten Ehe seiner Mutter, und er wurde dermaßen verwöhnt, dass Jón ständig vor Neid platzte angesichts des Spielzeugs und der Leckereien, die er selbst nie bekommen hatte. Sammi hatte ihm klipp und klar gesagt, dass er das Sofa unter der Woche benutzen durfte, aber wenn sein Lebensgefährte freitagabends auftauchte, würden die beiden es vorziehen, ihre Zweisamkeit zu genießen. Das Problem war, dass Jón nicht wusste, wohin er dann gehen sollte.
Hellwach lag er in der Dunkelheit und versuchte, nicht auf das Gemurmel und das unterdrückte Lachen zu achten, das durch die dünne Wand des einzigen Schlafzimmers der Wohnung drang. Jón konzentrierte sich auf die Gesichter von Menschen, gegen die er einen Groll hegte. An erster Stelle stand dieser Mistkerl von der Bank, der ihn ermutigt hatte, so viel Geld aufzunehmen. Sein Kundenbetreuer war kein erfahrener Mitarbeiter gewesen, sondern ein junger Mann mit einem albernen Haarschnitt und einem rosa Hemd, der an einer einwöchigen Fortbildung für Banker teilgenommen hatte.
Der zweite auf seiner Liste war das Schwein, dem diese ganzen Wohnungen gehörten. Es war ein großer Auftrag gewesen, genau das, was eine kleine Firma brauchte, die sich über Qualitätsarbeit einen Namen machen wollte. Der Auftrag hatte bedeutet, dass er auch abends und an den Wochenenden arbeiten musste. Außerdem war es nötig gewesen, ein paar Gefallen einzufordern und einige Freunde vom Fach als Sub-Subauftragnehmer mit ins Boot zu nehmen. Aber es hatte sich gelohnt, und er war stolz gewesen, alle Küchen und Badezimmer eine Woche vor Plan fertiggestellt zu haben. Die Käufer der Apartments hätten somit vor Winterbeginn einziehen können.
Unglücklicherweise ging Ingi Lárussons Baufirma wenige Wochen später in Konkurs. Es war kein Geld mehr da,
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