Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Bjartmar, Chefin«, fiel Eiríkur ihr ins Wort. »Er ist tot. Er wurde erschossen.«
Als Steini Gunnas Gesichtsausdruck sah, richtete er sich unwillkürlich auf.
»Verdammte Scheiße! Wo ist es passiert?«
»In seinem Haus. Offensichtlich hat er die Haustür geöffnet und dann peng.«
»Wo bist du?«
»Auf dem Weg dorthin.«
»Gut. Ich komme, so schnell ich kann«, sagte sie, klappte ihr Handy zu und durchwühlte den Berg frisch gewaschener Wäsche auf der Suche nach frischen Socken.
»Was Ernstes?«, wollte Steini wissen.
»Ein unangenehmer Zeitgenosse mit einer üblen Vergangenheit wurde ermordet. Wir hatten im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen mit ihm zu tun. Anscheinend hat jemand an seine Tür geklopft und ihn erschossen.«
Sie zog einen dicken Fleecepulli an, stopfte das Handy in die Tasche und blickte sich suchend nach ihren Schuhen um.
»Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird«, erklärte sie, während sie einen Schuh zuband und nach dem anderen angelte. Sie stand auf. »Verdammt noch mal! Schusswaffen. Es ist immer nur eine Frage der Zeit, dass …«, murmelte sie wütend vor sich hin.
An der Tür griff sie nach ihrem dicken grünen Anorak und drehte sich zu Steini um. Sie ging ein paar Schritte zurück und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
»Ich komme zurück, sobald ich kann. Halt das Bett für mich warm, ja?«
***
Jón klingelte und wartete. Regen prasselte vom Himmel herunter, und er suchte unter dem Vordach des Hauses im Westteil der Stadt Schutz. Der Beton des Vordachs war bröckelig, und die rostigen Bewehrungseisen ragten heraus. Nur weil noch Licht in einem der oberen Stockwerke brannte, klingelte er. Es war bereits nach Mitternacht, und er wollte einfach nicht mehr in das Apartment seines Bruders zurückkehren.
»Hallo?«
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und das Gesicht der Frau tauchte in der schmalen Öffnung auf.
»Hallo. Ich, äh, es tut mir sehr leid, dass ich so spät noch störe. Erinnerst du dich an mich? Ich bin Jón, der Klempner.«
Die Tür wurde weiter geöffnet, und die Frau starrte ihn verblüfft an.
»Was willst du so spät?«, fragte sie misstrauisch.
»Es tut mir leid, wirklich. Ich stecke in Schwierigkeiten und habe mich gefragt, ob ich vielleicht kurz hereinkommen könnte.«
Sie schürzte die Lippen, dann machte sie die Tür zu. Jón hörte eine Kette rasseln, eine Sekunde später ging die Tür wieder auf. Sie war in einen ehemals weißen Bademantel gehüllt und trug formlose Hausschuhe. Fragend sah sie ihn an. Dann trat sie wortlos zur Seite, um ihn hereinzulassen. Hinter ihr öffnete sich eine Wohnungstür, und ein älterer Mann schaute hinaus. Eine Frau mit einem grauen Gesicht spähte über seine Schulter.
»Hast du wieder einen neuen Freund, Elín?«, fragte der Mann lüstern. Die Frau hinter ihm zog ein mürrisches Gesicht.
»Geh wieder schlafen, du neugieriger Mistkerl«, fauchte Elín Harpa, knallte die Haustür zu und stieg hinter Jón die Treppe hinauf.
Jón stand mitten in der Küche. Von seiner Jacke tropfte Wasser auf den Fußboden.
»Es tut mir wirklich leid, dass ich so hereinplatze«, stammelte er. »Es ist spät, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Ich habe mein Haus verloren. In letzter Zeit habe ich bei meinem Bruder übernachtet, aber er will mich eigentlich nicht bei sich haben, und da dachte ich … vielleicht …?«
»Du kannst hier schlafen, wenn du willst«, sagte Elín Harpa. Sie ging in das kleine Wohnzimmer, das lediglich vom Leuchten des Fernsehers erhellt wurde. Ein Doppelbett nahm mehr als die Hälfte des Raumes ein. Sie setzte sich auf die Bettkante und sah ruhig zu ihm auf.
»Ist das dein Bett? Ich wollte nicht …« Er stockte. »Ich meine, hast du kein anderes Zimmer oder ein Sofa?«
Elín Harpa zuckte mit den Schultern. Jón bemerkte, dass die schulterlangen, braunen, glanzlosen Haare verschwunden waren. Stattdessen trug sie jetzt einen Kurzhaarschnitt, der sie jünger und zerbrechlicher wirken ließ.
»Es gibt nur noch ein anderes Zimmer, und in dem schlafen die Kinder. Du kannst entweder hier bei mir oder auf dem Boden schlafen. Es liegt ganz an dir.«
Sie drückte auf eine Fernbedienung, die mehrfach mit Klebeband umwickelt war, bis der Bildschirm schwarz wurde. Der Raum versank beinahe in völliger Dunkelheit, während Jón immer noch tropfnass in der Küche stand.
12. KAPITEL
Montag, der Zweiundzwanzigste
Es dämmerte bereits, als Gunna Gíslis Range Rover vor dem Haus abstellte und leise
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