Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
die Haustür des schlafenden Hauses aufschloss. Das einzige Geräusch war das leise Ticken der Küchenuhr. Ihre Hände waren völlig ausgekühlt gewesen, nachdem sie noch stundenlang im Licht der Scheinwerfer in Bjartmars Garten gesucht hatte. Auf der Heimfahrt waren sie allmählich wieder aufgetaut. Nach dem langen Arbeitstag und dem Schock beim Anblick von Bjartmars schrecklich zugerichteter Leiche war sie völlig ausgelaugt und erschöpft. Bjartmars Augen hatten weit offen gestanden und blicklos ins Leere gestarrt.
Sie hängte ihre Jacke und ihren Fleecepulli über einen Küchenstuhl, streckte sich und atmete tief ein. Dann schloss sie die Augen, hob das Kinn und straffte die Schultern, wobei sie versuchte, sich nicht die letzten schrecklichen Augenblicke im Leben dieses Mannes vorzustellen.
Man hatte sie schließlich zusammen mit Eiríkur und Helgi nach Hause geschickt. Im Garten war nichts zu finden gewesen außer ein paar schwachen Fußspuren im Gras. Das Team der Kriminaltechnik hatte sich um den Tatort gekümmert, während Eiríkur und sie sich den uniformierten Polizisten angeschlossen hatten, die die Anwohner befragten. Sie hofften, auf jemanden zu stoßen, der etwas beobachtet hatte.
Ein älterer Herr, der seinen kleinen Hund Gassi geführt hatte, erinnerte sich an einen Mann, der vom Tatort weg den Hügel hinaufgegangen war. Aber er hatte nur gesehen, dass es ein großer Mann gewesen war, der dunkle Kleidung getragen hatte. Die Befragungen erstreckten sich auch auf die benachbarten Straßen und hatten ergeben, dass ein schäbiger weißer Lieferwagen eine Zeitlang dort gestanden hatte. Jedoch erinnerte sich niemand an das Kennzeichen oder an den Zeitpunkt seines Auftauchens oder Verschwindens.
Gunna zog ihr T-Shirt aus und öffnete die Knöpfe ihrer Jeans, dann trank sie vor dem Kühlschrank einen großen Schluck Orangensaft direkt aus der Packung. Den Saft kaufte sie immer für Laufey.
Schließlich zog sie sich ihre Jeans aus, die bis über die Knie durchnässt war. Sie fühlte sich verschwitzt und schmutzig, nachdem sie stundenlang im Nieselregen gearbeitet hatte. Einer plötzlichen Regung folgend schaltete sie das Deckenlicht aus, sodass nur noch das Licht über dem Ofen brannte, streifte den Rest ihrer Kleidung ab und stopfte alles in die Waschmaschine. Sie gab Waschmittel dazu, stellte die Maschine an und stieg in die Dusche. Das schwefelhaltige heiße Wasser prasselte auf ihre verspannte Schultermuskulatur und sorgte für Entspannung.
Viel später erst kroch sie ins Bett und legte einen Arm über Steinis schlafenden Körper.
»Bist du okay?«, fragte er verschlafen. »War’s hart?«
»Ja. Ich bin völlig erledigt.«
Sie umarmte ihn sanft, und Steini schob einen Arm unter seinen Kopf und legte ihr die Hand auf den Oberschenkel. Dann begann er wieder melodisch zu schnarchen.
***
Der frisch beförderte Chief Inspector Sævaldur Bogason leitete die Einsatzbesprechung. Gunna gähnte, während er sich vorne aufplusterte, und registrierte mit Interesse, dass Ívar Laxdal an der Rückseite des Raums stand.
»Also, Leute«, sagte Sævaldur laut, wie um die Anwesenden zur Ordnung zu rufen, obwohl diese bereits alle schweigend auf ihren Stühlen saßen und auf den Beginn der Besprechung warteten. »Bjartmar Arnarson wurde gestern um einundzwanzig Uhr vierzig getötet, und zwar durch zwei Schüsse aus einer Schrotflinte aus nächster Nähe. Es gab keine Zeugen. Was haben wir?«
Albert von der Kriminaltechnik stand auf und räusperte sich. »Wie du bereits gesagt hast, Sævaldur, waren es zwei Schüsse. Der erste traf wahrscheinlich die Füße des Opfers. Die Verletzungen waren nicht tödlich, haben das Opfer aber wohl bewegungsunfähig gemacht. Es hätte weder fliehen noch Widerstand leisten können. Der zweite Schuss in die Brust war dann tödlich. Der Tod muss augenblicklich eingetreten sein.«
»Wo ist Miss Cruz?«, wollte Sævaldur wissen. »Warum ist sie nicht hier?«
»Sie befindet sich noch am Tatort«, meinte Albert entschuldigend. »Sie wird die Obduktion heute Nachmittag durchführen, aber vermutlich wird sich nichts ergeben, was wir nicht bereits wissen.«
»Okay. Was gibt es sonst noch?«
»Der Tatort sieht aus wie ein Schlachthaus«, fuhr Albert fort. »Überall ist Blut. Die Spritzmuster stimmen mit dem überein, was ich bereits beschrieben habe. Es gibt einige Fußabdrücke. Das Opfer war barfuß, daher nehmen wir an, dass die Spuren vom Mörder stammen; es sieht nach ganz
Weitere Kostenlose Bücher